Kathrin Haasis hat einen neuen Wein von einem alten Bekannten gefunden: Frank Haller ist mit seinen Weinbergen größtenteils in den Kreis Esslingen gezogen, Stadtflucht hat er dann aber doch nicht begangen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Die Stadtflucht war während der Corona-Pandemie ein großes Thema. Aber schon vorher zeigte sich die Tendenz, dass viele Menschen auf dem Land ihr Glück suchten: Im Jahr 2018 wanderten bereits mehr als 47 000 Menschen aus den sieben größten deutschen Städte, darunter Stuttgart, in direkt angrenzende Landkreise oder kreisfreie Städte ab, allerdings waren es 2021 schon rund 56 600. Zwischen den Jahren 2010 und 2013 waren die Metropolen dagegen noch stark gewachsen. Der Grund: Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum.

 

Auch auf dem Land sind die Immobilien teuer

Und dieses Problem macht auch so manchem Winzer zu schaffen. Frank Haller wollte deshalb schon lange vor Corona Stuttgart verlassen. Nach Neuffen im Kreis Esslingen zog es ihn, wo er mittlerweile den größten Teil seiner drei Hektar an Weinbergen beackert. Fünf Jahre lang suchte er nach einer geeigneten Immobilie, „aber da draußen gibt es auch keine günstigen alten Bauernhäuser“, war seine Erkenntnis. Als 2019 bei seinem bisherigen Gebäude im Sommerrain um die Ecke eine Aussiedlungsfläche auftauchte, schmiedete er sofort neue Pläne mit einem Architekten. Allerdings habe Stuttgarts Baubürgermeister seine Idee im Keim erstickt. „Ich wollte immer Stadtwinzer sein“, erklärt Frank Haller. Mit dem Projekt Umzug aufs Land oder in der Stadt hat er nun abgeschlossen: „Es wird kein großes Weingut Haller mehr geben“, sagt der 53-Jährige.

Kühleres Wetter und mehr Regen für die Weinberge

Seine Weine sind trotzdem großartig. Frank Haller baut sie im städtischen Weingut aus, wo er in Teilzeit als Kellermeister arbeitet. Der Weißburgunder ist beispielsweise eine perfekte Mischung aus den Vorteilen von Land und Stadt. Die Reben dafür wachsen direkt unterm Hohenneuffen, wo es kühler als im Kessel ist und viel mehr regnet. „Für Weißwein hat man dort draußen viel bessere Bedingungen “, erklärt er. Sein Weißburgunder ist nur leicht fruchtig, dafür zeigt er eine spannende Vielschichtigkeit aus Kräuternoten, Bodenhaftung und einer angenehm frischen Säure. Dass er sein Können nicht ausbauen konnte, ist schade. Aber als Stadt-Land-Winzer hat Frank Haller einen hervorragenden Kompromiss gefunden.

Das Urteil der Weinrunde: 

Holger Gayer Was für ein lebendiger Wein! Wie eine wilde Wiese mit vielen Kräutern im Geschmack, dazu feiner Schmelz und eine schöne Mineralik.

Michael Weier Die Superlative, die ich mir zu diesem Weißburgunder notiert habe, kann ich gar nicht alle wiederholen. Das ist wahnsinnig gut für wenig Geld.

Harald Beck Ich war einst dort am Neuffen, der Wein war interessant, als leicht säuerlicher Exot. Das hier ist was ganz Anderes – muss dringend wieder hin.

Weißburgunder Neuffen 2021, 8 Euro, Weingut Frank Haller, Masurenstraße 60, Telefon 07 11/51 88 27 10 . www.weingutfrankjhaller.de