Gutes Sehen Augendruck im Blick behalten
ZU hoch ist schlecht – das haben Augendruck und Blutdruck gemeinsam. Aber auch ein niedriger Blutdruck erhöht das Risiko, dass der Sehnervenkopf schlecht durchblutet ist.
ZU hoch ist schlecht – das haben Augendruck und Blutdruck gemeinsam. Aber auch ein niedriger Blutdruck erhöht das Risiko, dass der Sehnervenkopf schlecht durchblutet ist.
Keine Luftballons aufpusten, leiser schnarchen und beim Yoga auf den „herabschauenden Hund“ verzichten: Wer im Internet nach Tipps fahndet, um den Augeninnendruck zu senken, stößt auf teilweise skurril klingende Vorschläge. Kann man hier mit Verhaltensänderungen überhaupt etwas erreichen?
Für Betroffene ist das eine drängende Frage. Schließlich erhöht ein hoher Druck an der Augeninnenwand das Risiko für ein Glaukom (Grüner Star), das schlimmstenfalls zum Erblinden führen kann. Bei dem komplexen Thema sind allerdings noch viele Fragen offen. „Pauschale Antworten zu geben, ist schwierig“, sagt Carl Erb, Ärztlicher Leiter der Augenklinik am Wittenbergplatz in Berlin. „Aber es gibt dennoch ein paar sinnvolle Empfehlungen.“
Zu einem erhöhten Augendruck kommt es, wenn sich im Raum zwischen Hornhaut und Linse zu viel Kammerwasser ansammelt. Diese wässrige Flüssigkeit wird vom Ziliarkörper hinter der Iris gebildet und gelangt durch die Pupille in die vordere Augenkammer. Von dort fließt es durch winzige Kanäle ab und wird von den Blutgefäßen aufgenommen. Bildet das Auge zu viel Kammerwasser oder kann es nicht richtig absickern, steigt der Druck.
Hält der Sehnerv dieser Belastung nicht stand, entsteht ein Glaukom: Nach und nach werden Netzhautzellen und deren Fasern zerstört, sodass es zu Sehstörungen, vor allem zu Ausfällen im Gesichtsfeld, kommt. Daher empfiehlt der Berufsverband der Augenärzte Menschen ab 40 Jahren ein Glaukom-Screening, das neben einer Druckmessung eine Untersuchung des Sehnervs beinhaltet. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür nicht.
Tatsächlich entwickelt nur ein relativ kleiner Teil der Menschen, deren Augendruck über dem Normbereich von bis zu 21 mmHg liegt, ein Glaukom. Bei der groß angelegten „Ocular Hypertension Treatment Study“ zeigte sich, dass zehn Prozent der Teilnehmer, bei deinen ein hoher Druck gemessen wurde, innerhalb der kommenden fünf Jahre die Krankheit bekam. Umgekehrt haben laut Erb 30 bis 40 Prozent der Patienten mit einem Offenwinkel-Glaukom, der häufigsten Glaukom-Erkrankung, einen normalen Augendruck.
Daher warnt der Augenarzt davor, die Bedeutung des Augeninnendrucks überzubewerten: „Es gibt noch viele weitere Risikofaktoren.“ Ist der Sehnerv intakt und nur der Druck erhöht, muss er bloß in bestimmten Fällen gesenkt werden – etwa bei sehr hohen Werten oder einer familiären Vorbelastung. Klar ist die Situation dagegen, wenn sich schon Schäden eingestellt haben. Dann steht die Drucksenkung im Vordergrund. Dazu werden unter anderem Prostaglandine und Betablocker in Form von Augentropfen verschrieben, ansonsten ist auch ein operativer Eingriff möglich. Die Therapie kann Schäden oft nicht rückgängig machen, aber das Voranschreiten der Krankheit verlangsamen.
Der Augendruck hat einige Gemeinsamkeiten mit dem Blutdruck: Beide werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst und können im Lauf des Tages stark schwanken. Einmalige Messungen haben deshalb nur eine begrenzte Aussagekraft. Außerdem wirkt sich der Blutdruck direkt auf den Augeninnendruck aus. „Je höher der Blutdruck ist, desto mehr Kammerwasser wird produziert und desto stärker steigt der Augendruck“, sagt Erb. Aber auch ein niedriger Blutdruck erhöht das Glaukom-Risiko, da er eine schlechte Durchblutung des Sehnervenkopfs nach sich ziehen kann.
Wie wirkt sich körperliche Aktivität, wie sie zur Blutdruckregulation empfohlen wird, auf den Augeninnendruck aus? Eine Forschergruppe um den Augenarzt Lars Choritz von der Uni Magdeburg hat dazu eine ungewöhnliche Studie durchgeführt, die im Mai im „British Journal of Ophthalmology“ veröffentlicht wurde: Den Teilnehmern, alle Glaukom-Patienten, war zuvor im Zuge einer Katarakt (Grauer Star) – Operation ein Sensor ins Auge eingesetzt worden, mit dem sich der Druck kontinuierlich messen lässt. Auf diese Weise ließ sich eins zu eins ablesen, wie sich das Treten auf dem Ergometer auf den Augendruck auswirkt. „Der Leistungsstufe entsprechend sind nicht nur der Blutdruck und der Puls angestiegen, sondern praktisch parallel dazu auch der Augendruck“, berichtet Choritz. Das muss keineswegs negative Folgen haben. Man kann nämlich davon ausgehen, dass Bewegung auch dafür sorgt, dass der Sehnervenkopf besser durchblutet wird. „Wenn wir Sport treiben, dann ist ja der ganze Kreislauf angeregt“, erklärt Choritz. Nach dem Training sank der Augeninnendruck außerdem unter den Ausgangswert.
„Moderaten Ausdauersport kann man in jedem Fall empfehlen“, sagt der Augenarzt. „Es gibt genügend Untersuchungen, die zeigen, dass die verbesserte Durchblutung im ganzen Körper und eben auch am Sehnervenkopf wahrscheinlich einen protektiven Effekt hat.“ Außerdem gibt es Hinweise, dass mehr moderate körperliche Aktivität dazu führt, dass die Krankheit langsamer voranschreitet.
Nicht jeder Sport ist günstig. So kann Kraftsport den Augeninnendruck in bedenkliche Höhen treiben. „Wenn man beim Bankdrücken die Luft anhält, kann der Augendruck ganz massiv in die Höhe gehen“, sagt Choritz. Bei dieser Übung stemmt man liegend eine Langhantel. Schon durch die Liegeposition erhöht sich der Augendruck. Wird in Bauch und Brust durch Pressen zusätzlich Druck aufgebaut, steigt der Augendruck noch wesentlich stärker an. Den Zusammenhang konnte Choritz mit seinem Team in einer weiteren Teilstudie mit Drucksensor-Testpersonen demonstrieren, wie er berichtet. „Der Effekt ist ähnlich, wenn man einen Luftballon aufbläst oder ein Blasinstrument spielt.“ Verringern lässt sich der Anstieg mit der richtigen Atemtechnik: „Bei Kraftsportlern ist es ganz wichtig, dass sie bei der eigentlichen Anstrengung ausatmen.“
Auch bei Yoga gibt es Übungen, die den Augendruck erhöhen – nämlich solche, bei denen der Kopf nach unten gehalten wird wie beim „herabschauenden Hund“. Eine Studie, bei der Teilnehmer verschiedene Yoga-Positionen einnahmen, zeigte, dass solche Haltungen den Druck bei gesunden sowie bei Glaukom-Patienten rapide ansteigen lässt. Andererseits sind Entspannungsübungen, Meditation und Autogenes Training bei hohem Druck besonders empfehlenswert. „Am besten untersucht ist aktuell die Achtsamkeitsmeditation“, sagt Choritz. „Es ist klar belegt, dass sie dauerhaft einen positiven Effekt auf den Augendruck hat.“
Abgesehen davon ist klar, dass Allgemeinerkrankungen, schlechte Ernährungsgewohnheiten und Übergewicht eine wichtige Rolle spielen. Laut einer Metastudie erhöht Adipositas den Augeninnendruck. Außerdem neigen übergewichtige Menschen zu krankhaftem Schnarchen, der Schlafapnoe, die das Glaukom-Risiko ebenfalls vergrößert – ohne dass die genauen Ursachen klar wären.
„Alles, was die Herz-Kreislauf- und Gefäßgesundheit fördert, trägt dazu bei, Schäden am Sehnervenkopf vorzubeugen“, sagt Choritz. Zu den wichtigsten Empfehlungen gehört, nicht zu rauchen.