Wer diese Woche die Talkshows gesehen hat, der musste den Eindruck gewinnen, es wäre in der Welt nichts passiert als der "Fall Guttenberg".

Stuttgart - Bitte Vorsicht: zehn Meter Abstand halten und Taschentuch vor den Mund nehmen. Höchste Ansteckungsgefahr! Es schwirren Bazillen zwischen den Zeilen, vom Fieber zitternde Finger taumeln über die Tasten, und die geistige Zurechnungsfähigkeit lässt sehr zu wünschen übrig. Genau die richtige Verfassung also, um darüber zu brüten, ob das, was in der letzten Woche aus dem bunten Fernsehkasten kam, nur ein nicht enden wollender Fiebertraum oder Wirklichkeit gewesen ist.

Stimmt es tatsächlich, dass Anne Will am Sonntag, Sandra Maischberger am Dienstag, Frank Plasberg am Mittwoch und Maybrit Illner am Donnerstag mit ihren Gästen über "Doktor Guttenberg - alles nur geklaut?" (Anne Will), den "Schummelbaron" (Maischberger), den "Fall des Superstars - Wer glaubt noch den Politikern?" ("Hart aber fair") und den "Meinungskrieg um Guttenberg" (Maybrit Illner) diskutierten? Und war es nur eine Fieberfantasie, dass sich das ZDF zu dem martialischen Talkshowtitel "Meinungskrieg" verstiegen hat, um einen Fall zu bekakeln, der vor dem Hintergrund der Zustände in Libyen zur geschmacklos hochgejazzten Provinzposse schrumpft? Ganz abgesehen davon, dass man sowieso in dieser Talkshowwoche den Eindruck gewinnen musste, es wäre in der Welt nichts passiert als der "Fall Guttenberg".

Oh, Verzeihung: sagte ich "Fall"? Das war sehr ungebildet. Es geht ja um Wissenschaft, Plagiat und Doktortitel, da spricht plötzlich jeder Lateinisch und nennt das Debakel "die Causa Guttenberg". Und jeder Talkshowstammgast schreit "hier!", wenn es darum geht, in einer weiteren Talkshow seinen Senf beizusteuern: die unvermeidliche Alice Schwarzer, die bei Anne Will auf einmal Kreide gefressen hat und Guttenberg, einen Angehörigen des feindlichen Geschlechts, gegen den "Druck seiner Familie" in Schutz nimmt. Der ebenso unvermeidliche Wichtigtuer Hans-Ulrich Jörges, der nun plötzlich bedauern muss, "dass ich ihn für kanzlerfähig gehalten habe" und "bis ins Mark erschüttert" ist über die zutage getretene "Beschädigung der Glaubwürdigkeit". Für "Menschen bei Maischberger" hatte sich die Redaktion etwas besonders Feines ausgedacht. Man hätte die Talkshow umbenennen können: "Adlige und echte Doktoren bei Maischberger": Baroninnen, Freifrauen, Prinzessinnen und Prof. Dr. Arnulf Baring pöbelten durcheinander, wie immer, wenn Frau Maischberger in ihren Salon einlädt. Nur Jutta Ditfurth machte ihr einen Strich durch die Rechnung: "Wer mich als Baronin anspricht, ist nicht mein Freund", wehrte sie unwirsch die adelige Anrede in der Vorstellungsrunde ab. Da hatte sie aber nicht mit der Adelsfixiertheit der Redaktion gerechnet: Immer, wenn Ditfurths mürrisches - oder betont ins Maliziöse verzogene - Gesicht in Bild kam, informierte das Insert: "Eigentlich: Freifrau von Ditfurth" oder: "Stammt aus dem Adelsgeschlecht von Ditfurth".