Was treibt die EU-Führer an, trotzdem ein solches Geschäft mit Ankara anzustreben?
Das sind alles nur Verzweiflungstaten, weil sie nicht selber in der Lage sind, die Dinge in Ordnung zu bringen. Wir erleben hier Ähnliches wie in der Eurokrise. Die EU hat Dinge angefangen, ohne sie zu Ende zu bringen – und das führt zu schweren Krisen. Wir haben eine gemeinsame Währung eingeführt und bei der ersten größeren Krise merken plötzlich alle: Verdammt, wir haben ja gar keine europäische Wirtschafts- und Finanzregierung. Genauso ist das mit der Flüchtlingskrise.
Wieso?
Wir haben ein Europa ohne Binnengrenzen eingerichtet, ohne dafür zu sorgen, dass es einen funktionierenden Schutz unserer Außengrenzen gibt. Als nun die Flüchtlinge in größerer Zahl kamen, hätte man mit dem Aufbau einer schlagkräftigen europäischen Küstenwache anfangen müssen. Doch womit hat man stattdessen angefangen? Mit einer Debatte über die Verteilung der Flüchtlinge. Dabei ist das der allerletzte Schritt.
Sie sagen also: Man muss den ganzen Prozess vom Kopf auf die Füße stellen?
Ganz genau. Am Dienstag werden die Führer des EU-Parlaments mit dem Ratspräsidenten Tusk sprechen. Wir werden ihm sagen, dass es so nicht geht und dass er unsere Zustimmung zu dem Deal mit der Türkei braucht. Wir werden ihn fragen, warum sie nicht endlich Ernst machen beim gemeinsamen Küsten- und Grenzschutz. Das könnte die Kommission sogar ohne unsere Zustimmung tun. In Art 78 III des EU-Vertrages heißt es: wenn es große Schwierigkeiten beim Zustrom von Flüchtlingen, Asylsuchenden oder Migranten gibt, dürfen Notmaßnahmen ergriffen werden.