Die SPD will ein Zeichen für Integration setzen. Spätestens vom Schuljahr 2015/16 an sollen Achtklässler an zwei bis vier Gymnasien in Baden-Württemberg Türkisch als dritte Fremdsprache wählen können. Die Grünen deuten Zustimmung an.

Stuttgart - Zwei bis maximal vier Gymnasien im Land können nach dem Willen der SPD-Fraktion im Landtag Türkisch als Schulfach anbieten. Spätestens vom Schuljahr 2015/16 an sollen Achtklässler dort Türkisch als dritte Fremdsprache wählen können. So sieht es ein Beschluss der SPD-Fraktion vor. Das Vorhaben hat gute Chancen auf Verwirklichung. Die Grünen melden, sie stünden der Idee grundsätzlich positiv gegenüber. Der CDU-Abgeordnete Volker Schebesta hatte schon vor Jahren gefragt, warum eigentlich die Gymnasien nicht das Fach Türkisch anböten.

 

Nun prescht die SPD vor. In einem auf zehn Jahre angelegten Modellversuch will sie einen Lehrplan entwickeln lassen, der dann auf weitere Schulen übertragen werden kann. Der Versuch soll auf zwei bis höchstens vier allgemein bildende Gymnasien begrenzt sein. Als naheliegend werden Gymnasien in Stuttgart und Mannheim angesehen. In beiden Großstädten ist der Anteil der türkischen oder türkischstämmigen Bevölkerung am höchsten. Schulen, die sich für den Versuch bewerben, können eine andere dritte Fremdsprache durch Türkisch ersetzen.

Auf Augenhöhe mit Italienisch und Spanisch

Sollte Türkisch alternativ angeboten werden, verlangt die SPD-Fraktion, dass die zusätzlichen Personalkosten in den Haushalt eingestellt werden. Allerdings soll der Versuch pro Schule nicht mehr als 100 000 Euro im Jahr kosten. Darin sollen laut SPD auch die Kosten für die Evaluation enthalten sein. Den Bildungsplan soll das Landesinstitut für Schulentwicklung aufstellen, das auch für die Bildungspläne der anderen Fächer verantwortlich zeichnet.

Die SPD betrachtet den Schulversuch als ein integrations- sowie bildungspolitisch starkes Signal an die türkische Gemeinde, wie es in der Begründung des Beschlusses heißt. Rund 400 000 türkische Migranten leben in Baden-Württemberg. „Die türkische Sprache ist eine in den deutschen Großstädten anerkannte und häufig genutzte Sprache“, findet die SPD. Diese solle sich in der Schule auf einer Ebene mit Italienisch, Spanisch und Portugiesisch wiederfinden. Bildungspolitisch betrachtet die SPD ein Schulfach Türkisch, das auch Prüfungsfach sein kann, als ein Signal an die Schüler, dass ihre Sprachkompetenzen geschätzt würden. Auch lenke ein solcher Versuch das Augenmerk auf die bisher stark unterrepräsentierte Gruppe der türkischstämmigen Jugendlichen an den Gymnasien. Diese haben nach wie vor Seltenheitswert. Nach Erhebungen des Statistischen Landesamts war im Schuljahr 2010/11 zwar jeder neunte Hauptschüler türkischer Staatsangehöriger, aber nur jeder 82. Gymnasiast.

Welche Lehrer sollen Türkisch unterrichten?

Für die Einführung von Türkisch als regulärer Fremdsprache hatten bereits Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (beide Grüne) bei einer Delegationsreise nach Istanbul im Herbst 2012 Sympathien erkennen lassen. Aktuell reagiert die Grünenfraktion mit gebremster Begeisterung auf den Vorstoß der SPD. Man unterstütze das Ansinnen den muttersprachlichen Unterricht zu stärken, doch der Ansatz greife zu kurz, kommentiert die Stuttgarter Abgeordnete Muhterem Aras schmallippig.

„Der muttersprachliche Unterricht muss bereits in der Grundschule gestärkt werden“, fordert sie für ihre Fraktion, sei doch Sprache der Schlüssel zu Bildungserfolg und Teilhabe. Je früher mit der Förderung der Herkunftssprache begonnen werde, desto besser, so Aras. Dabei sollten die am meisten verbreiteten Herkunftssprachen berücksichtigt werden. Nach Deutsch ist Türkisch die in Baden-Württemberg am meisten gesprochene Muttersprache, gefolgt von Italienisch, Kroatisch, Griechisch und Polnisch.

Ein „integrations- sowie bildungspolitisches Signal“

Offen ist die Frage, wer den Unterricht an den Gymnasien erteilen soll. Das Kultusministerium verweist darauf, dass Studenten des Lehramts für Gymnasien ebenso wie bereits ausgebildete Lehrer an der Universität Tübingen Türkisch als Erweiterungsfach studieren und in dem Fach auch das Staatsexamen ablegen können. Daneben könnten auch Lehrer in Frage kommen, die eine andere moderne Fremdsprache unterrichten und die erforderlichen türkischen Sprachkenntnisse haben, erklärte eine Sprecherin von Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Schon jetzt wäre es laut Ministerium möglich, an allgemein bildenden Gymnasien Türkisch ab Klasse zehn als so genannte spät beginnende Fremdsprache anzubieten. Tatsächlich gemacht werde das aber nicht.

Kultusminister Stoch hält den Vorschlag seiner Fraktion „grundsätzlich für sinnvoll“. Für Türkisch als dritte Fremdsprache spreche, dass Schüler mit türkischem Migrationshintergrund ihre muttersprachlichen Kompetenzen in den Fremdsprachenunterricht einbringen könnten. Auch er wertet den Schulversuch als ein „integrations- sowie bildungspolitisches Signal an die türkische Bevölkerung“. Nun will das Ministerium „zeitnah“ prüfen, welche Gymnasien Interesse an dem Versuch haben. Der Einführung müssen die Schulkonferenz und die Gesamtlehrerkonferenz zustimmen.