Die erste H2-Tankstelle in Waiblingen steht kurz vor dem Start – jedoch ohne eigene Wasserstoffproduktion. Verzögerungen beim Elektrolyseur werfen Fragen auf.
Der Hochlauf der Wasserstoffmobilität im Rems-Murr-Kreis wirkt ambitioniert, fast visionär. Und doch beginnt er zunächst mit einem Provisorium. Die neue Wasserstofftankstelle in der Stuttgarter Straße wird zwar zum 1. Juli betriebsbereit sein – allerdings nicht in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang.
Das hat das Landratsamt unlängst im Umweltausschuss des Kreistags eingeräumt. Grund der Einschränkung: die Elektrolyse, welche die lokale Produktion von grünem Wasserstoff ermöglichen soll, funktioniert derzeit noch nicht. Erst im dritten Quartal soll das Herzstück der Anlage geliefert und installiert werden.
Bis dahin muss der Wasserstoff noch per Trailer geliefert werden. Das sei technisch machbar, versichert man auch bei der HY.Waiblingen, der Betreibergesellschaft, die von den Stadtwerken Waiblingen und dem norddeutschen Unternehmens GP Joule getragen wird. Doch es bleibt ein symbolischer Dämpfer für ein Projekt, das als Leuchtturm grüner Verkehrswende geplant war. Immerhin, die Qualitätsstandards sollen gleich bleiben. Auch der angelieferte Wasserstoff sei zertifiziert nachhaltig.
Kreis und Stadt halten an Wasserstoff-Projekt fest: Budget gesichert
Trotz der Verzögerung halten der Landkreis und die Stadt Waiblingen an ihrem gemeinsamen Vorhaben fest. Das Budget von 11,7 Millionen Euro – je zur Hälfte finanziert von Kreis und Stadt – wird laut dem Landrat Richard Sigel eingehalten. Auch der Kostenrahmen für das Wasserstoff-Buslinienbündel, das in Waiblingen betankt werden soll, bleibt mit rund fünf Millionen Euro pro Jahr stabil. Gut fünf Millionen Euro Förderung steuert der Bund bei.
Der symbolische erste Spatenstich liegt nun fast ein Jahr zurück, der große Wurf steht noch aus. Das Ziel: eine emissionsfreie Mobilitätsinfrastruktur für den Nahverkehr in der Region – mit lokal erzeugtem Wasserstoff, gespeist aus erneuerbaren Energien.
Lieferprobleme bremsen Wasserstoffbusse im Rems-Murr-Kreis
Doch auch bei den Bussen hakt es. Zwar sollen von Juli an sechs Solobusse mit Brennstoffzellenantrieb unterwegs sein. Doch der Großteil der Flotte – vor allem die benötigten Gelenkbusse – lässt auf sich warten. Lieferprobleme plagen die Branche. Erst 2026 soll die vollständige Lieferung erfolgen.
Verbindlich vorgeschrieben wird der Einsatz der Wasserstoff-Busse sogar erst von Januar 2027 an. Bis dahin dürfen auch weiterhin noch Fahrzeuge mit anderen Antrieben im Linienverkehr eingesetzt werden. Für das Verkehrsunternehmen Friedrich-Müller-Omnibus GmbH, das die Ausschreibung des Landkreises für das erste Linienbündel gewonnen hat, bleibt so zumindest noch etwas Planungsspielraum.
Zweifel am Wasserstoff: Alternative Lösungen für den ÖPNV?
Doch nicht alle im Kreistag glauben an die Wasserstoff-Vision. In der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses äußerte Hermann Beutel (CDU) grundsätzliche Zweifel: „Wir setzen auf die falsche Technik. Statt teure H2-Leitungen zu bauen, sollten wir lieber in Ladepunkte für Elektrobusse investieren.“ Seine Kritik trifft einen Nerv: Ist Wasserstoff für den städtischen ÖPNV wirklich die bessere Lösung? Oder eine politisch aufgeladene Prestigeentscheidung?
HY.Waiblingen: Herausforderungen bei Produktion und Stromquelle
Die Verwaltung verteidigt ihre Linie. Man habe bewusst auf eine einheitliche Technologie gesetzt, um Komplexität und Kosten zu minimieren, heißt es dazu aus dem Landratsamt. Zudem gehe es darum, die neue Infrastruktur optimal auszulasten. Eine Tankstelle ohne Tankvorgänge – das sei ökonomisch wie ökologisch absurd.
Das Konsortium HY.Waiblingen ist nicht nur Betreiber der Tankstelle, sondern auch für die Herstellung des grünen Wasserstoffs verantwortlich. Ursprünglich sollte der Strom dafür aus Photovoltaik-Anlagen auf dem Hess-Areal stammen. Doch dieser Plan wurde verworfen – zu ungünstig die Lage, zu umständlich die Anbindung, hieß es. Woher nun der Strom kommt, bleibt vage.
Immerhin, die Verträge laufen über 15 Jahre mit einer Ausstiegsklausel nach zehn. Genug Zeit, um zu zeigen, ob sich das Modell trägt – und ob es tatsächlich eine Blaupause für weitere Regionen sein kann.
Schulbuslinien unter Sparzwang
Ganz nebenbei wurde auch der Schülerverkehr umgebaut. Drei Busse und Fahrer spart der Kreis ein, durch Taktverdichtungen und geänderte Linienführungen. Für einige Schüler bedeutet das: umsteigen statt Direktfahrt. Für die Verwaltung: Einsparungen im sechsstelligen Bereich.
Ein Leuchtturm mit Startschwierigkeiten
Das Projekt HY.Waiblingen trägt große Versprechen: Klimaneutralität, regionale Wertschöpfung, technologische Vorreiterrolle. Doch noch muss es seinen Praxistest bestehen. Die Verzögerungen beim Aufbau der Infrastruktur werfen Fragen auf – auch über die generelle Tauglichkeit von Wasserstoff im urbanen Nahverkehr.
Die Vision bleibt intakt, doch das Fundament wackelt. Ob der Wasserstoff-Weg in die klimaneutrale Zukunft führt oder in eine technologische Sackgasse, wird sich erst zeigen müssen. Vielleicht schon im dritten Quartal. Vielleicht erst 2027.