Beschicker und Kunden können die Ungleichbehandlung des Sozialministeriums samt deren Corona-Verordnungen nicht mehr nachvollziehen. Weil der Flohmarkt als Spezialmarkt gilt, darf er im Gegensatz zum Wochenmarkt nicht an den Start.

Stuttgart - Der Flohmarkt auf dem Karlsplatz hat prominente Fürsprecher. Unter anderen kämpft die Bezirksvorsteherin Mitte, Veronika Kienzle, um die Wiedereröffnung des Trödelmarktes. Bereits Mitte April hatte die OB-Kandidatin der Grünen die Stadtverwaltung um Prüfung gebeten, ob und wann der Flohmarkt wieder stattfinden könne. Ihr geht es in erster Linie um die Dauerhändler, die sich dort neben einer schmalen Rente oder einem kargen Lohn etwas dazu verdienen. „Zur Not könnte man sich auch ein rollierendes System vorstellen“, sagte Kienzle damals, die von den Marktbeschickern in der Vergangenheit bereits „Schutzpatronin des Flohmarkts“ genannt wurde. In dieser Rolle hält sie den Flohmarkt sogar für „systemrelevant“. Natürlich weiß Veronika Kienzle, dass dies ihre subjektive Sicht auf den Flohmarkt ist. Aber dennoch sei dieses Kleinod am Karlsplatz in den vergangenen 30 Jahren zu einem wichtigen Teil der Stadtgesellschaft geworden.

 

Damit unterstützt sie auch Händler wie Jörg Trüdinger, der an der Mozartstraße altes Spielzeug und mehr verkauft, aber dieses Sortiment auf dem Flohmarkt um Schallplatten, Comics und CDs erweitert. „Inzwischen stapelt sich die Ware, ich könnte 20 Flohmärkte machen“, sagt Trüdinger.

Die Luft für Händler wird dünn

Dabei ist die Sache und die Lage alles andere als komisch. Denn für Trüdinger und andere Händler wird die Luft so langsam dünn. Zuletzt konnten sie am 7. März ihre Waren auf dem Karlsplatz anbieten. „Das trifft uns alle.“ Trüdinger selbst erwirtschaftet mit seinem Laden sozusagen einen Deckungsbeitrag und macht erst durch die Einnahmen auf dem Flohmarkt Gewinn. „Ich gehe jetzt nicht sofort pleite“, sagt er, aber das Schlimme sei, dass es keine Perspektive für eine Wiedereröffnung gebe.

Zu allem kommt das Unverständnis aller Flohmarkt-Liebhaber und der Händler über die Politik. Kaum einer versteht, warum beispielsweise der Wochenmarkt stattfinden kann, der Flohmarkt jedoch nicht. Selbst Veronika Kienzle hat in diesem besonderen Fall dazugelernt. Die Stadtverwaltung erklärt den scheinbaren Widerspruch und die Ungleichbehandlung von Märkten so: „Die aktuelle Rechtslage sieht folgendermaßen aus: Den Flohmarkt auf dem Karlsplatz sehen wir aufgrund seiner gewerblichen Beschicker als Spezialmarkt.“ Spezialmärkte sind gemäß der Coronaverordnung bis zum 14. Juni untersagt. Aber: „Gemäß Absatz 2, Nr. 7 sind von der Untersagung ausgenommen: Messen, nicht kulturelle Ausstellungen, Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen, wenn und soweit der Betrieb durch Rechtsverordnung nach Absatz 4 zugelassen ist.“ Demnach könnte analog zu der Coronaverordnung der Gaststätten das Sozialministerium und Wirtschaftsministerium eine neue Coronaverordnung Messen/Märkte erlassen, welche den Betrieb unter dort bestimmten Hygienevorschriften ermöglicht.

Märkte Stuttgart in den Startlöchern

Und an dieser Stelle kommt die städtische Tochter „Märkte Stuttgart“ ins Spiel. Dort hat man ein erstes mögliches Konzept erstellt; dies stellt aber nur eine erste Basis dar, da ja die möglichen Hygienevorschriften des Landes noch gar nicht bekannt sind. Je nach Inhalt der ergänzenden Vorschriften ist dann von „Märkte Stuttgart“ zu prüfen, ob und wenn ja, wie dies auf dem Karlsplatz umgesetzt werden kann. Jörg Trüdinger ist inzwischen soweit, dass er sagt: „Hauptsache Wiedereröffnung, egal wie. Ob mit oder ohne Maske – wenngleich eine Maskenpflicht nicht nachvollziehbar wäre. Auf dem Wochenmarkt braucht man ja auch keine.“ Und dabei geht es ihm nicht nur ums Geld oder das wirtschaftliche Überleben. Er weiß, wie wichtig die soziale Kraft des Flohmarktes ist. Er verbinde die Menschen dieser Stadtgesellschaft – und wird auch von vielen Menschen außerhalb der Stadt besucht. Ganz gleich, ob Händler oder Kunden: „Alle sagen, ich freue mich so auf die Wiedereröffnung, weil man da einmal in der Woche Menschen trifft, mit denen man reden kann.“