In der Öffentlichkeit wird selten über Gewalt in der Familie gesprochen. Das will die Aktion „Zivilcourage – Nein zu Beziehungsgewalt“ ändern und Betroffene und deren Umfeld über häusliche Gewalt aufklären.

Stuttgart - Exakt 485 Fälle von häuslicher Gewalt wurden im vorigen Jahr in Stuttgart registriert. Doch die Dunkelziffer ist höher. Sowohl Frauen als auch Männer leiden an der Gewalt, die von ihren Partnern ausgeht. „Viele Fälle werden aus Furcht vor den Folgen nicht gemeldet“, sagt Ursula Matschke von der Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern im Rathaus. „Meist wissen auch die Nachbarn nicht, wie sie reagieren sollen. Sie glauben, es gehe sie nichts an, was in den anderen vier Wänden geschieht.“ Doch Gewalt sei keine Privatsache, sagt Ludwig Haupt, Leiter der Prävention bei der Stuttgarter Polizei. „Es ist Teil der gesellschaftlichen Verantwortung auf Gewalt hinzuweisen“, so Haupt.

 

Aus diesem Grund sollen beim Aktionstag „Zivilcourage – Nein zur Beziehungsgewalt“ nächste Woche Betroffene und deren Umfeld stärker für das Thema der häuslichen Gewalt sensibilisiert werden. „Wichtig ist uns, dass die Leute wissen, wie sie richtig reagieren und an welche Beratungsstellen sie sich wenden können“, so Waltraud Ulshöfer, Ehefrau von OB Fritz Kuhn, die den Aktionstag moderieren wird. Dabei stehe vor allem die Zusammenarbeit mit der Polizei im Vordergrund: „Auch wenn es eventuell ein Fehlalarm ist – die Leute dürfen sich nicht scheuen, bei Verdacht die 110 zu wählen“, sagt Haupt.

Die Jugendarbeit braucht Präventionsmaßnahmen

Unter den fast 500 Fällen von häuslicher Gewalt waren in knapp 300 Fällen auch Kinder im Haus. Neben der Gewalt zwischen Partnern stehen beim Aktionstag deshalb auch Minderjährige im Mittelpunkt. Dabei werden die ersten Erkenntnisse des Präventionsprojektes „Hinschauen – Erkennen – Handeln!“ vorgestellt, das von der Stadt 2013 ins Leben gerufen wurde. Bei diesem Projekt wurden Ein-Tages-Workshops an Real- und Hauptschulen in Zuffenhausen durchgeführt, in denen die Schüler unter anderem auch Gewaltszenen nachspielen mussten. „In vielen Familien steckt sehr viel Gewaltpotential. Kinder aus diesen Familien glauben, dass Konflikte nur mit Gewalt lösbar sind. Ziel des Projektes war, ihnen zu zeigen, dass es auch anders geht“, so Matschke. Vor allem in Sachen Jugendarbeit gebe es ein Mangel an Präventionsmaßnahmen, „weil das Jugendamt erst dann eingreift, wenn Kinder direkt betroffen sind“, so Ulshöfer. Meist seien die Kinder aber nur indirekt betroffen, „weshalb man präventiv Aufklärungsarbeit leisten muss.“