Ein Feldhäusle bei der Kirchheimer Hahnweide scheint ein Geheimnis zu hüten. Ist es jetzt gelüftet?

Kirchheim - Das Häusle, erstmals anno 1818 in einer Flurkarte vermerkt, hat schwere Zeiten hinter sich: Der Vandalismus hinterließ seine bitteren Visitenkarten, über die mutwilligen Bauschäden setzten Regenwasser und Bodenfeuchte dem Veteranen zu, eine Seite des Fachwerkbaus war gar einmal eingebrochen, und wurde dann einfach wieder hochgemauert. Seit wenigen Jahren freilich steht das Gebäude im Würfelmaß wieder propper da, besticht durch Fachwerkpartien sowie sein spitz zulaufendes Biberschwanz-dach und bietet Schutz bei Wind und Wetter. Mit der Renovierung hat sich Kirchheims Verschönerungsverein auf Wunsch der Stadt sozusagen selbst beim Wort genommen und ist dafür mit einen Sonderpreis für Kleindenkmale von Schwäbischem Heimatbund (SHB) und Sparkassenverband belohnt worden.

 

Man mag an Aschenputtel denken – märchenhaft ist’s allemal. Denn allein die einstige Verwendung von teurem Eichenholz sowie die bei der Renovierung entdeckte Reste von Rot bemalten Balken und blauen Gefachen samt der spitz zulaufenden zeltartigen Dachkonstruktion wiesen über die bloße Unterstellfunktion hinaus. So war sich Andreas Banzhaf, Vereinsmitglied und einer der acht Sponsoren, Zimmermann und Fachwerkexperte sicher, dass sich hinter dem Häusle „etwas Besonderes“ verbergen musste. So besonders, dass er die Sanierung und Restaurierung als Demonstrationsobjekt für seine Auszubildenden nutzte.

Gefällt wurden die Bäume 1760/1761

Und auch der frühere Vorsitzende des Verschönerungsvereins und SHB-Regionalgruppenleiter Fritz Heinzelmann (74) ließ sich von der Idee beflügeln, auf geschichtsträchtigen Fährten zu forschen, respektive zu pirschen. Aus eigener Tasche finanzierte er beim Nürtinger Jahresringlabor Hofmann ein dendrochronologisches Gutachten, wobei die Fälldaten in die Jahre 1760/61 fielen – just also in die Zeit, in der auch das Holz für das „Herrenhäusle“ bei den Bürgerseen geschlagen wurde. Das Herrenhäusle diente bekanntlich Herzog Carl Eugen sowohl als jagdliche Dependance,als auch als amouröses Basislager.

Der detektivische Spürsinn des früheren Gymnasiallehrers Heinzelmann war jedenfalls geweckt, und eine heimatgeschichtliche Randnotiz gewann mehr und mehr Konturen. Um seine These zu erhärten, dass das Feldhäusle möglicherweise zu seinen Ursprungszeiten mehr war als ein profaner Unterstand und Wetterschutz, sondern als „Pürsch- und Prunfthäusle“ durchaus seinen Stellenwert innerhalb der waidmännischen Strategien der Notabeln hatte, trug Fritz Heinzelmann weitere Indizien zusammen.

Das Herrenhäusle war als Jagdhaus nicht geeignet

Dazu studierte er Forstberichte mit Einschlagszahlen. Dabei stieß er unter anderem auf einen Eintrag des Dettinger Forstknechts Johann Friedrich Schmiden, wonach im Zeitraum 1760/61 sieben Stämme „Aichene Remppen“, also Eichenholz zweiter Wahl, für ein „herrschaftliches Pürsch-Häuslein“ geliefert wurden.

Dass die Forstrechnungen speziell auch aufs Herrenhäusle zielten, wie dies laut Heinzelmann der frühere Kirchheimer Stadtarchivar Roland Deigendesch 2012 in einem Beitrag für die Schriftenreihe des Archivs zumindest nahe legte, schließt Heinzelmann, der seinerseits ein Fazit seiner Recherchen in der SHB-Zeitschrift „Schwäbische Heimat“ veröffentlicht hat, aus. Allein schon wegen seiner Lage inmitten eines freien Platzes im Wald und seiner Nutzung als „Jagdhaus“, einschließlich eines Pferdestalls und einer Wagenremise, sei es für die Pirsch ungeeignet gewesen.

Ganz anders droben beim Hahnweidhäusle, knapp einen Kilometer entfernt vom Saum des Talwalds. Hier war der Autor Heinzelmann bei seinen Nachforschungen auf einen Lageplan des Feldmessers Friedrich Kull aus dem Jahr 1816gestoßen, der grob gesagt zwischen der heutigen Bundesstraße 297 und dem jetzigen Westrand des Fluggeländes eine „Schaafswäid“ aufwies.

Mit dem auch für das Rotwild schmackhaften Nahrungsangebot einer Schafsweide, deren Beweidung auf herrschaftlichen Wink hin und mit Blick aufs herbstliche Brunftgeschehen ohne weiteres vorübergehend habe unterbleiben können, nährt Fritz Heinzelmann zudem seine Hauptthese, wonach des Feldhäusle in früherer Zeit eben deutlich mehr war als ein gewöhnlicher Unterstellplatz.

Fest steht, dass der Talwald zu den bevorzugten Jagdgefilden von Württembergs blaublütigen Regenten zählte. Auch ist die Chronik voll von rauschenden Festen im Kirchheimer Schloss. Ein Pirschhäusle könnte also durchaus ins Bild passen.

In einem Beitrag der Zeitschrift „Schwäbische Heimat“, Band 2019/1, hat Fritz Heinzelmann Fragen zur Vergangenheit des Kirchheimer Feldhäusles erörtert