Das Konzert von Haiyti am Sonntag muss zwar vom Wizemann in die kleinere Schräglage verlegt werden. Trotzdem leistet die Hambuger Rapperin Erstaunliches. Unser Autor ist überzeugt: ihre Musik läuft bald auf allen Kanälen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Zum Einstieg ein bisschen Smalltalk-Stoff: Wenn es demnächst mal wieder um Musik geht und vielleicht sogar um den Musikgeschmack der "jungen Leute", können Sie mal beiläufig das Wort "Trap" fallen lassen, meinetwegen auch "Cloud Rap". Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gesprächspartner entweder unwissend schaut oder einen Satz à la "Ja, schon mal gehört, aber was ist das eigentlich?" sagt, ist derzeit relativ hoch. Sie können sich dann als Insider profilieren, indem Sie was von schleppenden Beats, hyperaktiver HiHat und bekifftem Sprechgesang sagen.

 

Sie können die "FAZ" zitieren. Oder aber Sie zeigen einfach dieses Video:

Noch besser: Sie berichten, dass Sie am Sonntag auf dem Haiyti-Konzert im Stuttgarter Club Schräglage waren. Haiyti ist eine Hamburger Rapperin, die Trap macht und meinetwegen auch Cloud Rap. Sie wird in dem 3sat-Video erwähnt und ist eine der wenigen Frauen in diesem Genre. Und noch etwas an ihr ist besonders: Sie macht es besser als die ganzen Typen.

Das liegt nicht zwingend an den Texten. Haiyti rappt gern im Daktylus, wie uns die Kollegen mitteilen, und ihre Texte sind wie für das Genre üblich oft assoziativ, aber eben immer aufs Konkrete bezogen. Ein Beispiel: 

"Großes Kino – Jodie Foster
Roter Teppich – Kevin Kostner 
Mein Bodyguard trägt meinen Oscar
Sterne regnen, ich bin Popstar."

So rappt Haiyti in "American Dream". Daran muss man sich vor allem das mit dem Popstar merken. Denn genau an der Stelle des Schräglage-Konzerts, als man zum ersten Mal genug von dem verschleppt-schrägen Computerschlagzeug hat, setzt zum Song "Gold" ein Club-Beat ein, dazu ein synkopischer Acid-House-Bass und eben, das ist neu, der mit dem Autotune-Effekt verfremdete Trap-Gesang von Haiyti. Will sagen: diese Künstlerin mischt das Bekannte mit dem Neuen, und dieses Neue kann, nein: muss man sich merken. Es ist irgendwas zwischen Sprechen und Singen, der Autotune klingt dabei aber nicht nur bekifft wie bei anderen Cloud-Rappern wie Yung Hurn oder Rin - sondern leicht übersteuert, metallisch und im richtigen Moment heiser-rockstarmäßig. 

Da geht noch was

Die Musik dazu kommt vom Band, die Refrainzeilen werden ebenfalls per Halbplayback gedoppelt. Haiyti füllt die gesamte Bühne aus, in ganz kurzen Momenten noch ein wenig tapsig, insgesamt aber passt alles. Sogar der popstarmäßig Richtung Publikum ausgestreckte Zeigefinger sitzt. Und das Publikum lässt sich nur zu gerne darauf ein.

Dass das Konzert vom Wizemann in die kleinere Schräglage verlegt wurde, spricht aktuell noch gegen den ganz großen Durchbruch und das Motto ihrer Tour ("Die Kleine macht jetzt Kasse"). Doch es müsste schon viel schiefgehen, wenn das weit über kleine HipHop-Clubs hinausreichende Potenzial dieser Rapperin nicht schon sehr bald ausgeschöpft würde und jeder weiß, was dieses Trap eigentlich ist. Alle, die das schon am Sonntagabend erlebt haben, dürfen sich auf den nächsten Smalltalk freuen.


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