In Österreich wird das öffentliche Leben ab Dienstag drastisch eingeschränkt. Auch in Deutschland ist eine Rückkehr zur Normalität nicht in Sicht. Kanzlerin Merkel und andere Politiker bereiten die Bevölkerung bereits auf die Einschränkungen der kommenden Monate vor.

Berlin - Der Sommer mit deutschlandweit täglichen Corona-Neufällen im niedrigen dreistelligen Bereich liegt weit zurück. Inzwischen sind die Zahlen andauernd so hoch, dass Lockerungen des seit Monatsbeginn geltenden teilweisen Lockdowns bei den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Montag nicht zu erwarten sind. Im Nachbarland Österreich treten bereits am Dienstag drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Kraft.

 

Was hat Österreich beschlossen?

Das Nachbarland schlägt einen wesentlich strengeren Weg ein als die deutsche Regierung bislang: Von Dienstag an schließen dort nicht nur die Schulen, auch viele Geschäfte dürfen nicht mehr öffnen. Das eigene Zuhause darf nur noch aus wichtigen Gründen wie dem Gang zur Arbeit, in den Supermarkt oder zur Unterstützung Familienangehöriger verlassen werden. Wer kann, soll im Homeoffice arbeiten. Private Treffen werden auf den engsten Kreis beschränkt. Alleinstehende sollen sich einen einzigen anderen Menschen auswählen, den sie weiterhin treffen. Vorerst bis zum 6. Dezember gilt nach den Worten von Kanzler Sebastian Kurz: „Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel.“

Wie ist die Lage in Deutschland?

Seit Inkrafttreten der strengeren Kontaktbeschränkungen am 2. November sind die Infektionszahlen deutlich gestiegen. Am Freitag war mit 23 542 Neuansteckungen hierzulande sogar ein neuer Höchstwert seit Beginn der Pandemie gemeldet worden. Am Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) einen Anstieg um 16 947 Infektionen. Sonntags sind die Werte allerdings stets niedriger, da am Wochenende die Gesundheitsämter weniger Daten ans RKI liefern. Die gute Nachricht trotz des starken Anstiegs ist, dass dieser weniger schnell vonstatten geht.

Ist die Wende also geschafft?

Bisher nicht, denn andere wichtige Werte sind weiterhin problematisch. Das betrifft zum einen die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. Bei bis zu 50 Infektionen ist die Lage nach Einschätzung der Bundesregierung noch unter Kontrolle; darüber können etwa die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung nicht mehr leisten. Am Wochenende lag der bundesweite Wert bei mehr als 140. Zum anderen betrug der Reproduktionswert in den vergangenen Tagen etwa 1,0. Jeder Infizierte steckt demnach also im Mittel einen weiteren Menschen an. Damit die Ausbreitung des Virus abflaut, muss der Wert dauerhaft unter 1,0 liegen.

Worüber wird am Montag beraten?

Die Kanzlerin und die Länderchefs wollen eine Halbzeitbilanz des zunächst bis Monatsende verhängten teilweisen Lockdowns ziehen. Vertreter beider Seiten machten bereits deutlich, dass sie sich Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die bislang vorliegenden Daten noch keine allzu große Aussagekraft über die Wirksamkeit der Maßnahmen haben. Bei der Sitzung soll außerdem darüber gesprochen werden, wie die Corona-Warnapp verbessert werden kann.

Wie ist die Perspektive?

Eine Verlängerung der Bestimmungen über November hinaus oder sogar eine Verschärfung ist nicht ausgeschlossen. Merkel warnte am Wochenende: „Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen.“ Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) rechnet „zumindest in den nächsten vier bis fünf Monaten“ noch mit erheblichen Einschränkungen. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dämpfte die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität: Erst wenn die Infektionsdynamik auf „durchschlagende Weise“ durchbrochen sei, „können wir darüber sprechen, wie wir Weihnachten gestalten.“ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, er könne erst kommende Woche entscheiden, ob der Lockdown verlängert oder sogar vertiefet werden müsse.

Drohen wieder Schulschließungen?

„Wir wollen, so es irgend möglich ist, die Schulen offenhalten und Präsenzunterricht ermöglichen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wirtschaftsminister Altmaier regt an, Unterricht in Gemeindezentren, Kulturhäuser oder in ungenutzte Räume von Gaststätten und Hotels zu verlagern. In den Klassenzimmern sei es oft schwer, die Abstandsregeln einzuhalten.