Bergfest für Daniel Töpfer: Ein Gespräch über Vergangenes und Künftiges.

Weissach - Halbzeit für Daniel Töpfer. Heute vor vier Jahren hat der jetzt 30-Jährige in Weissach als Bürgermeister begonnen. Geplant war das nicht.

 

Herr Töpfer, wie kamen Sie in die Politik?

Meine Jugend bestand aus Sport, Motorradfahren und Freunden – und ein bisschen Schule nebenbei. Nach einem schweren Motorradunfall nach dem Abi 2008 konnte ich keinen Sport mehr machen und hatte auf einmal viel freie Zeit. Da musste ich mir überlegen, was ich mache, denn ich war noch nie jemand, der sich auf die faule Haut legt. Damals fing ich an Schach zu spielen, und bin zur Politik gekommen. 2009 war Bundestagswahlkampf, damals hatte ich alle Parteien sondiert. Relativ schnell hab ich gemerkt, dass meine Heimat in der Unionsfamilie sein wird.

Was war der Grund?

Begeistert war ich von Clemens Binninger. Ihn habe ich im Wahlkampf unterstützt und dabei die Wahlkämpfer kennengelernt. Danach war mir klar: Da will ich mitmachen und bin deshalb in die Junge Union eingetreten. Die CDU war damals noch ein ziemlich „alter Haufen“, da wollten wir „Jungen“ uns zum Teil bewusst abgrenzen.

Wie sehen Sie sich im Spektrum der Union?

Liberal-konservativ.

Wollten Sie immer Bürgermeister werden?

Mein Einführungspraktikum während des Studiums absolvierte ich in Jettingen beim Bürgermeister Hans-Michael Burkhardt. Als blutiger Anfänger durfte ich ihn hin und wieder begleiten. Sein Arbeitsalltag hat mich so fasziniert, dass ich seitdem mit dem Gedanken des Bürgermeisteramtes gespielt habe. In meiner Zeit in Böblingen hat es sich dann konkretisiert: Als Leiter der Geschäftsstelle des Gemeinderats habe ich sämtliche kommunalpolitischen Themen vorbereitet, und dabei mehr und mehr gemerkt, dass ich viel von dem mache, was von einem Bürgermeister gefordert wird. Mit Weissach war es wirklich ein Zufall.

Ein Zufall?

Ich hatte weder vor genau in dem Jahr zu kandidieren, noch klare Ziele abgesteckt.

Hat man Sie auf Weissach hingewiesen?

Nein, ich habe die Stellenausschreibung gesehen und festgestellt, dass der wichtige Satz „Die Stelleninhaberin bewirbt sich wieder“ fehlte. Ich habe die Gemeinden in der Region Stuttgart beobachtet, die damals in der überregionalen Presse vorkamen. Weissach tauchte regelmäßig auf, wenn es etwa um den Kampf Gemeinderat gegen Bürgermeisterin oder die Missorganisation im Rathaus ging. Das war das, was mich inhaltlich angesprochen hatte: Ist das Rathaus organisiert und bürgerfreundlich?

Sie wollten eine problematische Gemeinde?

Ich habe eine Kommune gesucht, die mir Herausforderungen bietet und in der ich meine Vorstellungen von Verwaltungsarbeit und Gemeindeentwicklung umsetzen kann. Das war in Weissach der Fall. Hätte ich mehr von den Zuständen hier gewusst, dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht beworben.

Wie geht man bei einer Kandidatur vor?

Ich war vier Tage in der Gemeinde und habe versucht, ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Oft zu hören bekam ich: So kann es nicht bleiben. Auch von allen drei Fraktionen bekam ich ein sehr positives Feedback. Aber die finale Entscheidung ob man wirklich kandidiert, kann einem keiner abnehmen. Diese Zeit war hart für mich, weil ich jeden Tag ins Grübeln kam.

Wie motiviert man sich?

Als ich mich für die Kandidatur entschieden habe, war klar: Das ziehe ich durch, mit allem, was ich in die Waagschale werfen kann. Entscheidend für mich war die Kandidatenvorstellung in der Strudelbachhalle mit mehr als 800 Besuchern. An diesem Abend wusste ich: Ich kann es schaffen.

Erst muss Töpfer im Rathaus aufräumen

Wie war die erste Zeit im Amt?

Sehr anstrengend. Meine Vorstellung von den Aufgaben eines Bürgermeisters haben sich mit den tatsächlichen Aufgaben in Weissach oft nicht gedeckt. In den ersten Tagen habe ich gemerkt, dass vieles nicht so funktioniert, wie ich es gewohnt war.

Sie hatten damals noch das alte Personal.

Ich habe deutlich gespürt, dass ein Teil mich ablehnt. Rund zwei Drittel haben mich dagegen unterstützt. Der Teil, der in die Opposition ging, bestand überwiegend aus Führungskräften. Daher war mir schnell klar: So wird das nichts. Ich habe deshalb gleich zu Beginn jedem Mitarbeiter klar gesagt, was ich erwarte und einfordere. Und jeder bekam das Angebot, dabei mitzumachen. Einige Mitarbeiter haben für sich entschieden, dass sie das nicht wollen, und bei zwei Mitarbeitern habe ich entschieden, dass sie auf ihrer Funktion nicht richtig eingesetzt sind. Das war damals der Kämmerer und die Hauptamtsleiterin, was ich bis heute für notwendig erachte.

Alles Turbulenzen aus der Ära Kreutel?

Es war immer turbulent in Weissach. Wolfgang Lucas war der letzte Amtsinhaber, der länger als eine Amtsperiode hier war. Er wurde Anfang der 90er Jahre abgewählt. Für die Versäumnisse und Altlasten ist weder Frau Kreutel allein verantwortlich, noch einer der Amtsvorgänger. Das ist ein Gesamtwerk vieler. Dass zum Beispiel keine Jahresabschlüsse gemacht wurden, begann 2002, lange vor Frau Kreutel. Von da an wurde es immer schlimmer.

Wie sind Sie mit dem Chaos umgegangen?

Es gibt klare rechtliche Vorgaben, wie es auszusehen hat. Handwerklich löst das jede Kommune für sich. Nach meinem Antritt kam der erste Schock: Es gab im Oktober keinen Haushalt für das laufende Jahr. Der wurde zwar beschlossen, dem Landratsamt nicht vorgelegt, weil die Hälfte fehlte. Da war klar: Hier liegt mehr im Argen.

Warum ist die Rechtsaufsicht, das Landratsamt, nie eingeschritten?

Seit 2011 gab es wohl Gespräche. Seitdem hat das Rathaus hier viel versprochen, aber nichts unternommen. Mir war schnell klar: Mit der Rechtsaufsicht hapert es auch. Der Landrat hat von mir kurz nach Amtsantritt verlangt, schnell aufzuräumen. Davor hat man aber viel zu lange zugewartet.

Gibt es noch die Überlegung, Ihre Vorgängerin in Regress zu nehmen?

Die Überlegung wurde im Gemeinderat beraten und beschlossen und danach umgesetzt. Die Verfahren laufen und werden sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen.

Machen Sie dem Gemeinderat Vorwürfe, dass er nicht eingeschritten ist?

Beim Großteil der heute bekannten Themen wusste der Gemeinderat nicht, wie schlimm es ist. Und beim kleineren Teil hat er es versäumt, nachzufragen und einzufordern. Dem Kollektiv kann man keinen Vorwurf machen.

Bleibt bei so vielen Aufräumarbeiten noch Zeit für anderes?

Wenn man einen normalen Tag zugrunde legt: nein. Mir war jedoch bewusst, dass mein Engagement einen deutlichen Mehraufwand mit sich bringt. Minimum ein Drittel meiner Arbeitszeit wird durch die Vergangenheit gebunden, etwa die Aufarbeitung, Reorganisation oder Gerichtsverfahren. Das ist bis heute so, meine Arbeitstage sind nicht viel kürzer geworden. Ich habe ja hier keinen Stein auf dem anderen gelassen und das Rathaus von Grund auf neu geordnet.

Wie oft haben Sie die Kandidatur bereut?

Kein einziges Mal. Aber man stellt sich schon die Frage, wie viel man investiert und was es mit einem macht. Wenn ich manchmal nachts hier im Büro sitze und über den Dingen brüte, stelle ich mir schon die Frage, ob es das ist, was ich langfristig möchte.

Sie waren 25, als Sie hier begonnen haben – eine Lebensphase, wo man angenehmere Dinge machen könnte. Frustriert das?

Die Tage gibt es, keine Frage. Aber ich wusste, worauf ich mich einlasse, und dass ich lange Zeit kein Privatleben haben werde.

Viele Pläne für die Zukunft

Wie lange wollen Sie das noch durchhalten?

Ich versuche, es kontinuierlich auf ein Normalmaß zu reduzieren. Dadurch, dass ich jetzt sehr gute Führungskräfte habe und die Strukturen im Rathaus Zug um Zug greifen, kann ich einige Dinge abgeben.

Sind Sie Profipolitiker?

Ich bin ein Verwaltungsmann, da bin ich richtig aufgehoben. Ein Politikerleben wäre wahrscheinlich nichts für mich.

Wie politisch ist ein Bürgermeisteramt?

In der Einstufung von wenig bis viel: Mittel. Der Wirkungsradius ist stark auf die Gemeinde begrenzt. Hier vor Ort ist es jedoch hoch politisch, man kann die Entwicklung stark vorantreiben. Es geht los mit einer Parkbank: eine Entscheidung, die binnen einer Woche umgesetzt wird. Es gibt große Themen, wie den Verkehr mit vielen Jahren Debatte und schließlich einer Lösung, wie der Porsche-Südanbindung, die sich seit dem 10. September im Bau befindet.

Woran merkt der Bürger, dass Sie seit vier Jahren im Amt sind?

An den Themen, die im Wahlkampf akut waren, und die ich angegangen bin. Zum Beispiel die komplette Rundumerneuerung des Gemeindeauftritts, Homepage und Amtsblatt und deren Informationsgehalt. Dann die Wasserversorgung, für die ich 2015 die Planung angestoßen habe und sofort in die Umsetzung gegangen bin. Heute ist die Wasserhärte runter von achtzehn auf acht Grad deutsche Härte. Die lange diskutierte Ortsdurchfahrt in Flacht wird im ersten Halbjahr 2019 fertig. Ich nenne auch den Umgang zwischen Verwaltung und Gemeinderat. Streit, Zwist und Intrigen gab es da. All das findet seit vier Jahren nicht mehr statt.

Was steht in den kommenden vier Jahren an?

Drei Viertel der Altlasten sind aufgearbeitet. Mein Fokus liegt bis Ende dieses Jahres auf dem Bürgerbüro, für das wir aktuell ein Konzept ausarbeiten, um noch moderner und leistungsstärker zu werden. Ab dem 1. Januar 2019 wird es deutlich ausgeweitete Öffnungszeiten und mehr Dienstleistungsangebote geben. Und dann beschäftigt mich die Wohnbau Weissach GmbH…

… die alte Kommbau. Was passiert dort?

Ein Sechsfamilien-Haus mit bezahlbaren Mietwohnungen ist im Bau. Im Herbst werde ich dem Gemeinderat das nächste Projekt vorlegen, das deutlich größer ist. Das Thema Bauen und bezahlbarer Wohnraum steht bei der GmbH in den kommenden Jahren im Mittelpunkt. In den letzten Jahren habe ich für die Gemeinden in der Ortsmitte von Weissach viel Grunderwerb getätigt. Uns gehört nun eine Fläche von über 3000 Quadratmetern, die ich mit dem Gemeinderat und einer Bürgerbeteiligung nach der Kommunalwahl 2019 entwickeln möchte. Das wird das Ortsbild von Weissach tiefgreifend verändern. Alles zwischen Metzgerei Böhmler, Rewe-Markt und dem Alten Rathaus soll abgerissen werden. Dazu die beiden Gebäude vor den Ratsstuben, wovon ich das verbliebene vor rund eineinhalb Jahren ebenfalls erwerben konnte.

Gibt es eine Vertrauenskrise in die Politik?

Nein, keine allumfassende. Es gibt punktuell Themen, bei denen man merkt, dass sich in der Gesellschaft etwas verändert. Das hängt meines Erachtens mit unserem hohen Lebensstandard zusammen. Auch auf der kommunalen Ebene spüren wir, dass die Bürgerschaft „satt“ ist und sich mit vielem gar nicht befassen und schon gar nicht beschäftigen will. Aufgabe der Politik ist es, die Dinge zu erklären – das wird in vielen Fällen leider vernachlässigt.

Unterscheiden die Leute zwischen der großen Politik und der kommunalen Ebene?

Ich denke schon. Ich bin Mitglied der CDU, das ist kein Geheimnis. Als wir in der Flüchtlingskrise 2015 eine Sporthalle als Notunterkunft belegt haben, habe ich Drohbriefe bekommen und wurde als „Jünger Merkels“ beschimpft, der für all das mitverantwortlich sei. Aber die Politik vor Ort ist stark sachbezogen.

Fürchten Sie sich vor der AfD im Rat?

Die Befürchtung habe ich nicht. Und wenn es so wäre, wäre es nicht schlimm. In einer Demokratie ist das Spektrum breit, das muss man aushalten. Am Ende entscheidet darüber der Wähler.

Brennen Sie noch für den Bürgermeister?

Ich brenne noch. Nicht wie eine Öllampe, sondern eher wie eine LED, bei der man nichts nachfüllen muss. Ich liebe Herausforderungen. Von denen gibt es noch viele.

Wollen Sie mit 65 als Bürgermeister von Weissach in den Ruhestand gehen?

Nein. Die Aufgabe in Weissach erfüllt mich, und ich kann mir sehr gut vorstellen, in vier Jahren nochmals zu kandidieren, wenn man sich bis dahin nicht jemanden anderen für dieses Amt wünscht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, hier fünf Perioden zu bleiben. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Kommune braucht Veränderung. Daher glaube ich nicht, dass ich als Bürgermeister von Weissach in den Ruhestand gehe.