Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Gauck ist der provokanteste und vielleicht auch der politischste Präsident, den die Bundesrepublik je hatte. Das erklärt sich aus seiner Neigung zu klaren Worten, der leidenschaftlichen Rhetorik. Daran herrscht ein gewisser Mangel in einem Land, das regiert wird von einer Frau, die zu reden pflegt, als verlese sie das Kleingedruckte aus der Geschäftsordnung des Bundestags. Es war jedoch keineswegs so, dass Gauck nach seiner Wahl postwendend mit fulminanten Reden aufgefallen wäre. Ungeachtet des ihm eigenen, fast überbordenden Selbstvertrauens war ihm zu Beginn seiner Amtszeit großer Respekt vor der neuen Rolle anzumerken. Obwohl ein Fremdling in der Welt der Politik, gewissermaßen als Antipolitiker ins Amt gelobt, ließ er sich nie dazu hinreißen, der weit verbreiteten Politikverachtung seine Stimme zu verleihen.

 

Dieser Bundespräsident musste sich als Bellizist beschimpfen lassen, als „widerlicher Kriegshetzer“ gar. Gauck sieht seine Mission offenbar nicht darin, die Republik zu versöhnen. Er spaltet sie. Sein Plädoyer für ein stärkeres Engagement Deutschlands in der Welt hat ihm viel Widerspruch beschert – Widerspruch, der ihn nicht unbeeindruckt ließ. Was nicht bedeutet, dass ihn das alles irritierte hätte, soweit es um sein Anliegen selbst geht. Selten hat ein deutscher Präsident so offen und offensiv über ein brisantes Thema gesprochen, das in die aktuelle Tagespolitik hinein reicht.

Seine Volksnähe zeichnet Gauck aus

Gauck, obwohl Herr einer ausgefeilten Sprache, fand nicht jedes Mal die treffenden Worte. Zuletzt hat er mit einer Ansprache in Polen am 75. Jahrestag nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs viele verstört. Er übte harsche Kritik an der Politik Putins, fand es aber nicht für nötig, daran zu erinnern, dass Russland die meisten Opfer in jenem Krieg zu beklagen hatte: mehr als 20 Millionen Tote. Diese einäugige historische Perspektive ist nur aus seiner Vita zu verstehen: aus dem oppositionellen Ossi wurde eine Art Besserwessi, wenn es um sein Generalthema Freiheit und die Werte des Westens geht. Da kann Gauck offenbar nicht aus seiner Haut.

Er macht sich aber angreifbar, wenn er zwar harte Worte an die Adresse Putins richtet oder an die des türkischen Autokraten Erdogan, aber nicht den gleichen Mut aufbringt, etwa die Globalspionage der Amerikaner kritisch anzusprechen. Da blieb Gauck seltsam wortkarg.

Der inzwischen 74-jährige Pastor aus Rostock ist ein Glücksfall für das höchste Amt im Staate. Nachdem gleich zwei seiner Vorgänger vorzeitig gescheitert waren, wurde lauthals diskutiert, wozu unsere Kanzlerdemokratie überhaupt einen Präsidenten brauche. Diese Frage wird nicht mehr gestellt, seit Gauck in Schloss Bellevue residiert. Er hat dem Amt die Würde zurückgegeben, ihm neue Autorität verliehen – was keineswegs heißt, dass Gauck ohne Fehl und Tadel wäre und es keinerlei Kritik an seiner Art zu präsidieren gäbe. Er provoziert solche Kritik geradezu, nimmt sie zumindest billigend in Kauf.

Der provokanteste Präsident der Bundesrepublik

Gauck ist der provokanteste und vielleicht auch der politischste Präsident, den die Bundesrepublik je hatte. Das erklärt sich aus seiner Neigung zu klaren Worten, der leidenschaftlichen Rhetorik. Daran herrscht ein gewisser Mangel in einem Land, das regiert wird von einer Frau, die zu reden pflegt, als verlese sie das Kleingedruckte aus der Geschäftsordnung des Bundestags. Es war jedoch keineswegs so, dass Gauck nach seiner Wahl postwendend mit fulminanten Reden aufgefallen wäre. Ungeachtet des ihm eigenen, fast überbordenden Selbstvertrauens war ihm zu Beginn seiner Amtszeit großer Respekt vor der neuen Rolle anzumerken. Obwohl ein Fremdling in der Welt der Politik, gewissermaßen als Antipolitiker ins Amt gelobt, ließ er sich nie dazu hinreißen, der weit verbreiteten Politikverachtung seine Stimme zu verleihen.

Dieser Bundespräsident musste sich als Bellizist beschimpfen lassen, als „widerlicher Kriegshetzer“ gar. Gauck sieht seine Mission offenbar nicht darin, die Republik zu versöhnen. Er spaltet sie. Sein Plädoyer für ein stärkeres Engagement Deutschlands in der Welt hat ihm viel Widerspruch beschert – Widerspruch, der ihn nicht unbeeindruckt ließ. Was nicht bedeutet, dass ihn das alles irritierte hätte, soweit es um sein Anliegen selbst geht. Selten hat ein deutscher Präsident so offen und offensiv über ein brisantes Thema gesprochen, das in die aktuelle Tagespolitik hinein reicht.

Seine Volksnähe zeichnet Gauck aus

Gauck, obwohl Herr einer ausgefeilten Sprache, fand nicht jedes Mal die treffenden Worte. Zuletzt hat er mit einer Ansprache in Polen am 75. Jahrestag nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs viele verstört. Er übte harsche Kritik an der Politik Putins, fand es aber nicht für nötig, daran zu erinnern, dass Russland die meisten Opfer in jenem Krieg zu beklagen hatte: mehr als 20 Millionen Tote. Diese einäugige historische Perspektive ist nur aus seiner Vita zu verstehen: aus dem oppositionellen Ossi wurde eine Art Besserwessi, wenn es um sein Generalthema Freiheit und die Werte des Westens geht. Da kann Gauck offenbar nicht aus seiner Haut.

Er macht sich aber angreifbar, wenn er zwar harte Worte an die Adresse Putins richtet oder an die des türkischen Autokraten Erdogan, aber nicht den gleichen Mut aufbringt, etwa die Globalspionage der Amerikaner kritisch anzusprechen. Da blieb Gauck seltsam wortkarg.

Zu Beginn seiner Amtszeit kokettierte der elfte Bundespräsident damit, dass er sich eigentlich als gewöhnlicher Bürger verstehe. Er hoffe auch, so sinnierte er bisweilen, wenigstens einen Teil des Bürgers Gauck in die präsidiale Welt hinüber zu retten. Das ist ihm in vielerlei Hinsicht gelungen. Wer ihn je persönlich erlebt hat, der ist gewiss nicht mit dem Eindruck nach Hause gegangen, einem republikanischen Monarchen begegnet zu sein. Gegen Eitelkeit ist Gauck zwar nicht gefeit, doch zeichnen ihn Volksnähe und eine alles andere als großspurige Art aus.

Und auch in seinem Denken ist der Präsident dem Bürger Gauck treu geblieben.