Stuttgarts maritime Bedeutung hält sich in erkennbaren Grenzen, was womöglich der Grund dafür ist, dass Fritz Kuhn Leuchttürme für verzichtbar hält – und sich damit von seinem Amtsvorgänger abhebt. Wolfgang Schuster war schnell bei der Hand, wenn es darum ging, schillernde Städtebauprojekte aus der Taufe zu heben, die manches Mal freilich eben so sang- und klanglos wieder in der Versenkung verschwanden, wie sie zuvor vom Christdemokraten auf dem Chefsessel im Rathaus angepriesen worden sind. Stellvertretend sei an das Wohnhochhaus am Pragsattel erinnert, das den Namen des neuen US-Präsidenten hätte tragen sollen – ansonsten aber nicht viel mit Donald Trump gemeinsam hatte.

 

Erfolgreicher war Schuster da schon bei Kulturbauten: In seiner Ära entstanden das Kunstmuseum am Schlossplatz wie auch die neue Stadtbibliothek am Mailänder Platz, die nach anfänglichem Fremdeln von den Stuttgartern überrannt wird. Deren Umgebung, das Europaviertel, freilich brandmarkte Kuhn kurz nach Amtsantritt als kafkaesk – und setzte damit ein Signal, wohin es unter seiner Ägide städtebaulich gehen sollte. Nicht das großformatige des Büro-, Wohn- und Einkaufsviertels im Norden des Bahnhofs soll der Maßstab sein.

Raum für Akzente in der Stadtentwicklung wird eng

Zudem sieht sich Fritz Kuhn einer Debatte ausgesetzt, die den tatsächlichen oder auch nur gefühlten Abrissfuror in der Stadt thematisiert. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn im Sinne der Diskussion in den Bestand auch nicht nur teilweise eingegriffen werden soll, zugleich aber Freiflächen als solche erhalten bleiben müssen, wird der Raum eng für Akzente in der Stadtentwicklung.

Die Nagelprobe für Kuhns städtebauliche Handschrift wird das Rosensteinviertel, das auf den heutigen Gleisarealen entstehen soll. Es ist am Rathauschef, dem Vorhaben, das so stark wie kaum ein anderes ins Weichbild der Stadt eingreift, mehr Schwung zu verleihen, als es bei der schleppenden Bürgerbeteiligung bislang versprüht hat. Es könnte am Ende sogar sein, dass Kuhn denselben Weg beschreitet wie Schuster und sein Heil in den Kulturbauten sucht. Die anstehende Opernsanierung und der längst überfällige Neubau des Linden-Museums böten hier Chancen.