Die Landesmesse schreibt Rekorde und will den Wachstumskurs in den folgenden Jahren halten. Ein entscheidendes Mittel dazu ist der Neubau der Halle 10. Deren Form zeichnet sich acht Monate nach der Grundsteinlegung ab.

Stuttgart - Staub oder klebriger Schlamm sind bei einer Baustellentour die Regel. Auf dem Gelände der Landesmesse bleiben die obligatorischen Sicherheitsstiefel aber sauber. Die Fläche um die neue Halle 10 am Westeingang hat früh den ersten Asphaltbelag erhalten. „Wir haben die Anlagen für die Freiflächen vorab hergestellt, so bekommen wir Stauraum. Außerdem kann man auf dem Lehmboden nicht vernünftig arbeiten, wenn es nass ist“, sagt Jonas Lechler.

 

Der Bauleiter und Architekt aus dem Büro Wulf Architekten (Stuttgart) war bereits beim Neubau der Landesmesse, der am 19. Oktober 2007 mit 105 000 Quadratmeter überdachter Ausstellungsfläche in Betrieb ging, mit von der Partie. Nun sollen es mit der Paul-Horn-Halle 14 600 Quadratmeter mehr werden. Außerdem wertet die Messe den damals aus Kostengründen bewusst als Provisorium gebauten Westeingang mit zusätzlichen 3000 Quadratmetern auf. Innen gibt es moderne Konferenztechnik. Der Messepark wird 50 Meter an Länge gewinnen, 200 Radstellplätze und Ladestationen für Elektroautos sind außerdem vorgesehen.

Mehr Raum für Kongresse und Gastronomie

„Mit der Halle erhalten wir im Eingang West auch die dritte große Gastronomiefläche auf dem Campus, darüber liegen die Kongressräume“, sagt Messe-Geschäftsführer Ulrich Kromer. Der Neubau stand 2007 unter extremem Zeitdruck, um Verträge einzuhalten, gab es eine Teileröffnung. Der Anbau macht weniger Kopfzerbrechen. „Die Erweiterung ist im Zeit-und-Kosten-Plan. Bis zum Jahresende soll die Außenhaut der Halle geschlossen sein, dann kommt der Innenausbau“, sagt Kromer. Die erste Messe wird das Flaggschiff Caravan, Motor, Touristik (CMT) sein. Sie beginnt am 13. Januar 2017. Einen wesentlichen Zeitpuffer gebe es nicht, gearbeitet wird jetzt laut Lechler von 6 bis 20 Uhr, an sechs Tagen in der Woche könne man bis auf 22 Uhr verlängern.

Die erweiterte Infrastruktur wird 67,5 Millionen Euro kosten. Die Investition muss sich über die Vermietung selbst tragen. Die Messe-Gesellschafter Land und Stadt geben eine Bürgschaft für die Kreditfinanzierung, aber keinen Zuschuss.

Erstmals kommt Holz zum Einsatz

Ein genaues Abbild der bisherigen, je 10 000 Quadratmeter großen Standardhallen ist die neue nicht. Man müsse eher von einer Basilika-Halle sprechen, erklärt Architekt Tobias Wulf. Die von Holzträgern überwölbte Fläche ist in drei Schiffe aufgeteilt, an beiden Längsseiten gibt es durch Stahlstützen abgegrenzte Seitenschiffe, die zehn Meter Höhe erreichen. Wenn nötig, könne man doppelstöckige Einbauten für eine erweiterte Kongressnutzung einfügen, verweist Kromer auf das flexible Konzept.

Die Messe setzt erstmals beim Hallenbau Holz ein. Der ökologische Fußabdruck, also der Ressourcenverbrauch, sei durch das heimische Nadelholz geringer als bei Stahl, sagt Wulfs Partner, der Architekt Kai Bierich.

Die statische Konstruktion hat sich geändert

Die 46 Brettschichtholz-Binder, die fast 50 Meter im eleganten Schwung überspannen, kommen per Tieflader von der Firma Poppensieker & Derix aus Westerkappeln bei Osnabrück. Sie sind ein wesentliches architektonisches Element. Obwohl das nach innen geschwungene Dach dem Bestand gleicht, ist die statische Konstruktion völlig anders. „Wir haben hier ein Druck- statt eines Biegetragwerks“, erläutert Kai Bierich. Auf tiefe Anker für das Dach, die mit viel Beton im Boden gehalten werden müssen, kann so verzichtet werden. Unter der Erde findet sich dennoch Stahlbeton in erheblichen Dimensionen. Ein U-förmiger Umgang, der acht auf acht Meter misst, nimmt die gesamte Technik unter der Halle auf, über Bodenöffnungen kann so jeder Stand versorgt werden.

Das mit Trapez- und Feinblech und einer Folie belegte und begrünte Holzdach wird Solarzellen tragen. Den Strom nutzt die Messe nach der Änderung des Einspeisegesetzes selbst. Zeitgleich mit dem Hallenbau läuft der Bau eines Blockheizkraftwerks für 2,5 Millionen Euro. Die Anlage mit einer Leistung von 2000 Kilowatt soll Primärenergie, also Öl und Gas, und damit 5000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr sparen. Weil weniger Strom aus dem Netz bezogen wird, rechnet die Messe jährlich mit einem hohen sechsstelligen Sparpotenzial. Die Messe und der nahe Flughafen bilden beim Strombezug (zu 100 Prozent aus Wasserkraft) eine Einkaufsgemeinschaft.

Parkplätze sind ein knappes Gut

Beim Messe-Neujahrsempfang 2016 sprach Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll mit Blick auf die Halle 10 von einer „vorläufigen Vollendung“ des städtebaulichen Konzepts. Jeder weiß, dass auf dem Gelände eine weitere, letzte Halle möglich wäre. Für die Messe ist das kein Thema. Beschäftigen muss sie sich mit der Erreichbarkeit. 700 Stellplätze fallen durch den Neubau weg, daher wird sehnsüchtig die Stadtbahnlinie U 6 erwartet, die ab Ende 2019 an beiden Eingängen halten soll. Bei Großmessen wie der AMB (13. bis 17. September), mit dem höchsten Anteil Auto fahrender Besucher werden Lastwagenstandplätze für Autos geräumt, zudem gibt es vom SI-Centrum aus einen Shuttleverkehr.