Halloween wird auch hierzulande mittlerweile groß gefeiert – doch der Blick auf das Fest ist ganz unterschiedlich. Wir haben mit zwei Jungs aus den USA, einer Mexikanerin, einem Pfarrer und Landwirten über das Fest vor Allerheiligen gesprochen.

Stuttgart - Halloween, die Nacht vor Allerheiligen steht an. Kürbisse mit Fratzen zieren als Dekorationen so manches Haus, Kinder verkleiden sich. Halloween ist auch in Deutschland mittlerweile ein fester Bestandteil im Festkalender. Ebenso der Dia de los Muertos, der in Mexiko vom Vorabend von Allerheiligen bis zum 2. November gefeiert wird. Zeitgleich feiern evangelische Christen am 31. Oktober den Reformationstag, tags drauf findet der katholische Feiertag Allerheiligen statt. Wir haben mit verschiedenen Menschen über ihre Sichtweise auf Halloween gesprochen.

 

Liam und Finn aus den USA: das erste Halloween in Deutschland

Fledermäuse und Spinnen zieren die Hauswände, auf den Treppen zu den Eingangstüren stehen Kürbisse mit leuchtenden Fratzen. Vor den Häusern feiern kleine Grüppchen, andere ziehen die Straße entlang, immer auf der Jagd nach noch mehr Süßigkeiten. Es läuft Musik, alle sind unterwegs, alles ist dekoriert – an Halloween in den Straßen von San Francisco.

Liam (10) und sein Bruder Finn (7) sitzen auf dem Sofa in der Wohnung im Stuttgarter Westen und schauen Videos vom vergangenen Trick-of-Treatings, der Süßes-oder-Saures-Tour. Die beiden Brüder sind in den USA aufgewachsen. Seit drei Monaten leben sie mit ihren Eltern in Stuttgart. So manches ist anders und neu hier für sie – auch Halloween.

Der Abend vor Allerheiligen wird auch hierzulande von Jahr zu Jahr größer gefeiert – vergleichbar mit den USA ist es aber nicht. Das fängt schon bei den Kostümen an. „Die Auswahl ist nicht so groß“, sagt Liam. Weil die meisten Leute sich hier nur gruselig verkleiden würden. „In den USA kann man sich als alles Mögliche verkleiden“, so Liam, „so wie hier an Fasching.“ Daher war er schon als Bär und als Baseballspieler unterwegs. „Und als Baby war ich ein Kürbis.“

Sein jüngerer Bruder Finn will dieses Jahr als Fledermaus gehen. Das Kostüm liegt parat. In den vergangenen Tagen hat der Siebenjährige schon fleißig an der Halloween-Deko gearbeitet und die Fenster mit Kürbisbildern geschmückt. Auch in dem Schülerhaus und der Schwabschule selbst gab es Bastelrunden und sogar eine kleine Feier zu Halloween. Dennoch bleiben für die beiden eine gewisse Unsicherheit in der noch neuen Umgebung und die Fragen: Verkleiden sich die anderen Kinder auch, und ziehen sie auch am 31. Oktober los? Und wird die süße Ausbeute auch reich ausfallen?

Das hofft Finn, denn das Beste an Halloween seien schließlich die Süßigkeiten. Für Liam ist es noch ein bisschen mehr: „Es sind die ganzen Lichter an dem Abend, die Dekorationen und dass alle mitfeiern; auch die 70-Jährigen.“ Ob das hier auch so wird? Sie wollen es herausfinden. Denn eines habe sich nicht geändert, so Liam: „Ich freue mich immer auf Halloween.“ (Kathrin Schall)

CVJM-Pfarrer Andreas Schäffer: „Halloween ist enorm wichtig“

Halloween – von wegen Süßes. Manchem evangelischen Christen stößt der Kult aus Amerika sauer auf. Schließlich wurde an diesem Tag früher nur die Reformation gefeiert, ehe der Zeitgeist den Charakter des Festes veränderte. Tatsächlich ist Halloween eine Abkürzung für All Hallows’ Eve, also den Abend vor dem katholischen Feiertag Allerheiligen. Und damit hört für konservative Christen der Spaß auf.

Pfarrer Andreas Schäffer vom CVJM Stuttgart sieht das nicht so eng. Auch Sätze wie „hier löst eine Spaßkultur gutes abendländisches Kulturgut ab“ gehören nicht zu seinem Repertoire. Im Gegenteil. „Halloween ist populär und gesellschaftlich enorm wichtig“, sagt er, „der Gewinn an Kultur in einer Gesellschaft ist etwas Positives.“ Er findet es gut, wenn junge Menschen verkleidet und mit Spaß durch die Gassen rennen: „So etwas kann ja auch die Nachbarschaft fördern.“

Immer wieder hört Schäffer auch, dass aus dem christlichen Allerheiligentag und dem evangelischen Reformationstag ein Fest mit Höllenfeuer, Tod und spiritistischen Grenzgängern bis hin zu okkultistischen Ritualen gemacht werde. „Ich halte das für total übertrieben und habe da keine Bedenken“, sagt er.

Der Stuttgarter Pfarrer sieht die Dinge realistisch. Mit der schrumpfenden Bedeutung von Kirche als Institution sei eben auch die Bedeutung von Feiertagen wie dem Reformationstag verloren gegangen. Zwar versuchten die Jugendorganisationen durch die Einführung der Church Night an diesem Tag „auch cool zu sein, aber zu einer großen Bewegung wird sie wohl nicht werden“. Daher hat Andreas Schäffer eine viel bessere Idee: „Luther vermittelte uns ja, dass Gott gut und gnädig ist. Von daher fände ich es gut, wenn wir an diesen Tag die Gnade Gottes feierten, wenn aus dem Reformationstag ein Feiertag der Gnade werden würde.“ (Martin Haar)

Landwirte: Die Beliebtheit des Kürbisses wächst

Der Kürbis hat im im Vergleich zur Zuckerrübe ein paar Vorteile. Im Vergleich zu der Rübe lässt sich der Kürbis leicht schneiden – und das Fruchtfleisch lässt sich noch zu einer nahrhaften Suppe verarbeiten. Kein Wunder also, dass der Brauch zu Halloween bei den sparsamen Schwaben eingeschlagen hat. Und die Beliebtheit des Kürbisses wächst, das bestätigen die Landwirte. Bei Beate Hörz vom gleichnamigen Bioland-Gemüsehof werden Kürbisse „im Vergleich zu vor zehn, 15 Jahren sicher mehr nachgefragt, insbesondere die Hokkaido- oder Butternut-Kürbisse“. Der Hörz-Hof in Bonlanden hat seine Anbaufläche für Kürbisse allerdings nicht vergrößert, die braucht er für seine mehr als 80 anderen Kulturen.

Auch bei Frank Stäbler aus Musberg bleibt der Kürbis „eine Randerscheinung“. Er brauche nicht mehr als die rund 2000 Kilo, die er in diesem Jahr geerntet hat, obwohl alle Sorten „sehr gut laufen“, bestätigt er. Für den Fellbacher Landwirt Phillip Bauerle ist das schwergewichtige Gemüse ein willkommener Nachfolger auf seinen Erdbeer- und Spargelfeldern. „Der Hokkaido-, der Butternut-, der Muskat- und der Spaghettikürbis werden mehr gekauft als früher“, stellt er fest, und weil dieses Jahr ein sehr gutes gewesen sei, habe er einen guten Ertrag gehabt. Nur das Lagern sei aufwendig: „Schon ein kleiner Macken lässt Kürbisse schnell verderben, wir müssen jeden Tag relativ viel Ausschuss aussortieren“, so Bauerle. Das spricht für schnelles Aufessen. (Barbara Czimmer)

Isabel Infante de Schwab: Backen für den Día de los Muertos

Der warme Duft von frischem Hefeteig und Orangenessenz hängt in Isabel Infante de Schwabs Küche. Die Totenbrote sind fertig. Die Mexikanerin backt sie anlässlich des Tages der Toten, des Día de los Muertos. „Die Seelen der Verstorbenen kommen zu uns. Durch den Geruch des Brotes finden sie den Weg nach Hause“, sagt sie.

In ihrer Heimat ist der Totentag „sehr wichtig“, sagt die Frau, die seit 2000 in Leonberg lebt. Familien stellen Altäre auf, drapieren Kerzen, Räucherstäbchen, Schädel aus Zucker, Fotos der Toten sowie deren einstige Leibspeisen und legen Blüten aus, die die Seelen heimlotsen sollen. Den Höhepunkt bilden die ersten beiden Novembertage. „Man glaubt, dass Kinderseelen am 1. November und die Seelen von Erwachsenen am 2. November zurückkehren.“ Wie die Deutschen zieht es auch die Mexikaner auf den Friedhof. Doch während Allerheiligen ein stiller Feiertag ist, geht es in Südamerika bunt und fröhlich zu. Der Día de los Muertos soll bereits von den Azteken zelebriert worden sein. 2008 erhob die Unesco ihn zum immateriellen Weltkulturerbe.

Die Deutschen verbinden damit vor allem eines: Gruselschminke. Doch die 47-Jährige stellt klar: „Die Tradition gibt es nicht in meiner Familie. Auch meine Freundinnen kennen das nicht.“ Sie spricht von neuen Ritualen. Das bestätigt Kathrin Sieberling vom Linden-Museum, wo der Totentag am 1. November zelebriert wird. Die Bemalung stamme „eher aus der Popkultur als der mexikanischen Kultur“ und sei vornehmlich in Europa verbreitet, womöglich wegen des Frida-Kahlo-Kults. Und auch James Bond hat seine Finger im Spiel. Wegen der Filmfigur findet in Mexiko-Stadt neuerdings eine Parade statt. Sie war 2015 in „Spectre“ zu sehen – und wurde danach als Touri-Highlight eingeführt. „Kultur verändert sich“, sagt Kathrin Sieberling. Totenbrote etwa gibt es laut Isabel Infante de Schwab längst im Supermarkt. Sie jedoch will weiterhin lieber backen – Selbst Tausende Kilometer von der Heimat entfernt. (Caroline Holowiecki)