Geringer Gruselfaktor, große Kreativität, verwegene Vogelscheuchen und starkes Shopping – Halloween in Zeiten von Corona. Der Esslinger Einzelhandel lud am Samstag zur langen Einkaufsnacht ein, etwa 80 Geschäfte hatten bis 22 Uhr geöffnet.

Esslingen - Für Uneingeweihte ist es einfach nur ein rechteckiger Karton auf dem Kopf. Aber für die echten Freaks ist es eine Anlehnung an das Onlinespiel Minecraft, dessen Helden mit eckigen Gesichtern Abenteuer, Action und Aktionen bestehen. Enes hat die Verkleidung bewusst gewählt: „Wegen Corona werden sehr wenig Leute zu Halloween unterwegs sein. Darum fallen für uns umso mehr Süßigkeiten ab“, meint der Zwölfjährige clever. Und sein Kumpel Sven, als Hacker verkleidet, stimmt zu: „Früher war an Halloween echt mehr los.“ Egal. Der Esslinger Handel wollte Corona mit süßen Angeboten Saures geben und lud am Samstag, 31. Oktober, zum Halloween-Shoppen bis 22 Uhr mit kleineren Aktionen ein.

 

Schaurige Stelzenläufer

Eine davon stelzt gerade die Bahnhofsstraße entlang – Larissa Dworzak und ihr Begleiter. Beide auf ihren hohen Stelzen gut 2,50 Meter groß. Er in der Maske einer Vogelscheuche – stumm, düster, schaurig. Sie, als Herbstaster Dalia verkleidet, freundlicher mit ihren goldenen Herbstfarben und dem bunt verfärbten Laub. An zwei Wochenenden hat sie das Kostüm selbst gebastelt – und es kommt an. Die Leute, erzählt sie, reagieren sofort und erfreut. Denn die Corona gebeutelten Menschen seien in diesen spartanischen Zeiten alle hungrig nach Unterhaltung. Das Gehen auf den hohen Stelzen ist kein Problem. Doch dann gesteht Larissa Dworak, dass sie sich mit hohen Frauenpumps nie anfreunden konnte. In diesen Schuhen tun ihr tatsächlich die Füße weh.

Halloween unter Corona-Maske

Kein Problem für William und Olivia. Sie haben eine Halloween-Verkleidung mit bequemem Schuhwerk gewählt. Er ist in ein Kürbiskostüm geschlüpft, und sie verkörpert Jason Voorhees, eine Figur aus dem Action-Schocker „Freitag der 13.“: „Wir lieben Halloween“, meint die scheinbar unverkleidete Mutter. Dann lüftet sie kurz die Corona-Maske und zeigt darunter ein gruseliges aufgeschminktes Narbengeflecht. Dennoch sind Verkleidungen am Samstagabend in der Esslinger Fußgängerzone die Ausnahme. In einer sechsköpfigen Jungengruppe hat sich nur einer dezent mit rot-gelber Perücke verkleidet, ein schwarzes Schreckgespenst mit grellroten Augen rennt die Straße entlang, eine Frau hat sich pflichtschuldig eine Kürbiskette um den Hals gehängt.

Transparente Masken erwünscht

Auch und vor den Geschäften ein verhaltener Halloween-Hype – Kürbisgirlanden, freundliche Totenkopfketten, Lichtinstallationen auf großen Plätzen. Doch Kundin Sissi Gaub liebt das nächtliche Shopping: „Ich bin tiefenentspannt. Heute morgen war es proppenvoll, da bin ich wieder nach Hause gegangen. Doch heute Abend sind weinig Menschen unterwegs – da kann ich ohne Corona-Angst einkaufen gehen.“ Verkäuferin Tanja Treptow berät sie. Sie trägt eine Maske mit einem breiten Lächeln. Überhaupt wäre es schön, so Sissi Gaub, wenn alle Masken transparent und hautdurchschimmernd wären. Dann könnte man trotz Mund-Nasen-Schutz in den Mienen des Gegenübers lesen.

Ab 18 Uhr war weniger los

Die Mienen der Esslinger Geschäftsleute sind durchaus aufgehellt. Vormittag und Nachmittag waren selbst für einen Samstag „sehr stark“, meint Rainer Schmiedel von der „Bastelecke“. Erst seit 18 Uhr sei weniger los. Na ja, die Leute hätten halt Angst vor Corona und würden sich unter der Maske nicht so wohl fühlen, darum sei das Einkaufsverhalten noch immer zögerlich, meint Düzgün Kilic, der im Einkaufscenter „ES“ Waffeln und andere Leckereien anbietet. „Ist ganz okay“, urteilt Künstlerin Stephanie Gempe, die in der Bahnhofsstraße an einem Stand funkelnde Schmuckwaren anbietet. Wenn überhaupt, dann seien höchstens die Kinder verkleidet. Aber auch nur vereinzelt. Doch, und dann wird ihre Stimme aufgeregt, diese beiden Stelzenläufer, die fand sie cool.

Lektüre für Ehemänner

Gemäßigt cool ist ein geduldiger Ehemann, dessen Partnerin mit mehreren Kleidungsstücken in einer Umkleidekabine verschwunden ist. Zum Glück kann er auf einem Sofa in Autozeitschriften blättern. Und als die Gattin zurück kommt, grinst er nur: „Na ja, so ein paar Stunden sind ja gar nicht so lang.“