„Ich stehe immer direkt an dem Haltestellenschild und beleuchte mit der Taschenlampe ein Reflektorenband.“ Das erklärt eine Frau, die an einer Haltestelle in Stuttgart-Degerloch immer wieder stehen gelassen worden ist.

Degerloch - Zartbesaiteten empfiehlt es sich nicht, nach Einbruch der Dunkelheit an der Haltestelle Königsträßle in Degerloch auf den Bus in Richtung Hoffeld zu warten. Das hölzerne Wartehäuschen befindet sich unmittelbar am Waldrand. Dahinter: alles schwarz. Zwar ist die Jahnstraße stark befahren, dennoch kommt man sich unter der schwach leuchtenden Straßenlampe in der Nachbarschaft des historischen Wasserturmes recht verlassen vor.

 

Sie habe gewunken – doch das habe nichts geholfen

„Abends um 21 Uhr ist das nicht mehr angenehm“, bestätigt Dorothee Dieter. Auch sie ist kein Fan des Busstopps, mit Gruseleien hat das indes nicht zu tun. Die Frau aus Hoffeld arbeitet gegenüber im Seniorenzentrum Haus auf der Waldau, pendelt mit dem Bus Nummer 70, der die Haltestelle sporadisch anfährt – und ist abends vom Bus glatt stehen gelassen worden. Trotz Winkens sei der Bus vorbeigerauscht. Schon zweimal. „Die Haltestelle ist schlecht beleuchtet, bei Dunkelheit sind Wartende kaum zu sehen, und sie wird nur angefahren, wenn der Fahrer einen Fahrgast entdeckt“, sagt die 57-Jährige. „Besonders prickelnd“ sei das im 30-Minuten-Takt abends sowie an Sonn- und Feiertagen. Auch viele alte Leute nutzen den ÖPNV – und setzten sich aufgrund ihres Alters ins dunkle Wartehaus. Dorothee Dieter befürchtet, dass gerade Senioren das Nachsehen haben könnten. „Ich kann wenigstens in der App gucken, ob der Bus Verspätung hat, aber alte Leute haben kein Smartphone“, sagt sie.

„Da ist nichts Auffälliges an der Haltestelle“, sagt indes Birgit Kiefer, eine SSB-Sprecherin. Ihr seien keine weiteren Klagen über stehengelassene Passagiere bekannt, „die letzte stammt von 2017“. Dorothee Dieter wiederum berichtet von mindestens zwei weiteren Personen, die vergessen wurden. Eine davon fahre inzwischen Ruftaxi. Und auch der stellvertretende Bezirksvorsteher Mykola Heinrich gibt an, dass das Thema im Bezirksbeirat schon mal angeklungen sei.

Sie hat sich sogar spezielle Kleidung gekauft

Aber ob einer oder viele: Dorothee Dieter will nicht mehr im Dunklen zurückbleiben. „Ich mache total auf mich aufmerksam“, sagt sie. Inzwischen setzt sie sich nicht mehr ins Wartehaus, sondern positioniert sich gut sichtbar am Straßenrand. „Ich stehe immer direkt an dem Haltestellenschild und beleuchte mit der Taschenlampe ein Reflektorenband“, erklärt sie. Das habe sie sich als günstige Alternative zu einer neuen hellen Jacke zugelegt. „Ein Busfahrer bemängelte einmal meine dunkle Kleidung.“

Die SSB-Sprecherin Kiefer bedauert die Zwischenfälle, gibt aber zu bedenken: Auch ein Busfahrer könne sich mal irren und jemanden übersehen. Grundsätzlich empfiehlt sie Passagieren, aufzustehen, wenn das Fahrzeug naht, und sich deutlich zu zeigen, notfalls auch den Bus heranzuwinken. Dorothee Dieter macht den Fahrern, die sie übergangen haben, ausdrücklich keinen Vorwurf, spricht ihrerseits aber auch eine Empfehlung aus: immer in die Busbucht einfahren – auch wenn auf den ersten Blick niemand zu sehen ist.