Der Hamburger Hafenbasar ist ein Kuriosenkabinett. Hier findet sich einfach alles..

Der Leopard steht noch immer da und starrt den Besucher böse aus seinen Glasaugen an. Die Tür fällt ins Schloss, Hamburg und der Alltag bleiben draußen. Willkommen in einer anderen Welt, willkommen in Harry’s Hamburger Hafenbasar. Es riecht nach Rauch, nach fernen Ländern und nach Opas Dachboden. Und ganz genauso viel Stöber-Spaß verspricht der erste Blick in dieses Dickicht aus Kuriositäten. Auf zur Weltreise, an der Ecke Erichstraße/Balduinstraße, in Hamburg-St.Pauli. Blickt mir die Raubkatze etwa nach?

 

Hier, so der erste Eindruck, ist manches möglich: Schrumpfköpfe zum Beispiel. Einer liegt hinter Glas und wird feilgeboten. Kleine kosten 60 Euro, Große 160 Euro, in Museumsqualität sind sie für 260 Euro zu haben. Schrumpfköpfe? An ausgestopfte Tiere mag sich mancher gewöhnen. Aber an die Beute von Kopfjägern? Karin Rosenberg ist Gebieterin über dieses Kuriositätenkabinett und lacht, sie kennt die fragenden Gesichter. Was hier liegt, erklärt sie, sei aus Ziegenleder nachgemacht, komme aus dem oberen Amazonien. Imitate aus Ecuador. Sie nimmt das Ding behutsam aus der Vitrine und zeigt das gute Stück, streicht beinahe liebevoll über das weiße Haar.

Sie hat sogar einen echten Schrumpfkopf, ein Stück Kulturgut. Der lagert an einem geheimen Ort. Diese Kriegstrophäe kam vor vielen Jahrzehnten über verschlungene Wege vom Amazonas nach Hamburg. Die Leute aus dem Urwald schlugen damals ihren gefallenen Feinden den Kopf ab. Dann wurde der Schädel entfernt und die Haut am Hinterkopf wieder zusammengenäht. Durch das Trocknen über dem Feuer schrumpfte der Kopf auf die Größe einer Faust zusammen. "Zum Schluss wurde der Mund zugenäht – der bösen Flüche wegen!" Bei Karin Rosenberg gibt’s nicht nur Kurioses und Krasses, sondern auch die Geschichten dazu. Mancher mag erschauern, aber im Völkerkundemuseum würde Vergleichbares mit Interesse bestaunt werden. Denn Harry’s Hafenbasar ist nicht nur ein Marktplatz für schöne und schauerliche Dinge aus aller Welt, sondern ein Museum dazu.

Bei den ersten Schritten ist der Besucher überfordert, das Auge sucht haltlos an den Auslagen auf und ab. Dieser Laden ist absolut vollgestellt und liegt meist im schummerigen Halbdunkel. "Wie viele Sachen haben Sie denn so?" – "Sie können ja mal anfangen zu zählen!" – "Und von wo kommt das alles her?" – "Von überall!" Holzfiguren, Masken, Fetische, bronzene Götterstatuen, Messer, Pfeil und Bogen, Buddhas und Madonnen, Malereien, Fruchtbarkeitsfiguren, ein Kugelfisch, Primitivgeld.

Hinter der Buddha-Statue steht eine Giraffe, abgelöst von einem nachgebauten Indianer, auf den die Maske einer wilden Figur folgt. Auch diese leeren Augen starren auf seltsame Weise. Im fahlen Licht der Neonröhre strahlt das Blattgold einer asiatischen Tempelfigur. In den Gängen und Kammern ist gerade so viel Platz, dass ein Mensch eben durchkommt. Einen Raum weiter lauert hinter einem Stahlverhau das Bestiarium: Unter der Decke hängt ein totes Faultier, darunter steht mit aufgerissenem Maul ein kleines Krokodil, daneben ein Waran und ein absonderliches Wesen, das wie eine Mischung aus Fuchs und Schakal aussieht. In diesem bizarren Zoo greifen Krallen ins Leere und blicken tote Augen in andere tote Augen. Alles im funzeligen Schummerlicht, hier mag es nicht nur Kinder gruseln, sondern auch Erwachsene mit schwachen Nerven. "Angefangen hat das damals mit Käpt'n Haase. Der hatte in den 20er Jahren eine Kneipe gleich um die Ecke. Zu ihm kamen die Leute und haben sich Geschichten erzählen lassen. Im Laufe der Zeit sammelten sich in Käpt’n Haases Kneipe allerhand Dinge an, die ihm die Seeleute aus Übersee mitbrachten." In den 60er Jahren übernahm Karin Rosenbergs Vater Harry die Sammlung des damals bereits verstorbenen Käpt'n. Er fuhr lange Zeit selbst zur See, musste dann aber aus gesundheitlichen Gründen für immer an Land bleiben. Er suchte ein neues Gewerbe und handelte bald mit Kuriositäten.

Und wie kam man im Nachkriegsdeutschland an pazifisches Muschelgeld, Steinfiguren aus Bali oder Schutzgeister aus Neu-Guinea? "Mein Vater ging zu den Schiffen, die unten im Hafen lagen und fragte die Matrosen, ob sie ihm nicht dieses oder jenes mitbringen könnten", erinnert sich Karin Rosenberg, die von Kindheit an im Laden mitgemacht hat. So kamen die Sachen aus allen Küstenländern Südamerikas, Asiens und Afrika zu Harry und seiner Tochter Karin. "Überall auf den Meeren hieß es damals unter den Seeleuten ’we are shopping for Harry!’" Mit dieser Romantik ist es heute vorbei. Seitdem Container die Liegezeiten derart verkürzt haben, dass die Seeleute kaum noch Zeit für einen ausgiebigen Landgang haben, verlor sich auch das Einkaufen für Harry. Jetzt muss seine Tochter selbst los. Sie war gerade in Burkina Faso.

Nette Kleinigkeiten gibt es bei Harry ab zehn Cent, Scherenschnittfiguren aus Bali sind ab 20 Euro zu haben, Masken ab 50 Euro. Tanzmasken aus Neu-Guinea kosten allerdings 1500 Euro. Nach oben sind fast keine Grenzen gesetzt. Einmal verkaufte Karin Rosenberg eine historische Samurai-Rüstung, die sie heute auf mehr als 100000 Euro schätzt. Von wegen alles Krempel. Vielleicht wartet im Verborgenen noch eine handfeste Überraschung.

Info Harry’s Hamburger Hafenbasar, Erichstraße 56, Hamburg-St. Pauli, Telefon 040 / 31 24 82, http://www.hafenbasar.de, geöffnet Dienstag bis Sonntag 12 bis 18Uhr.

Die Eintrittsgebühr für die Besichtigung in Höhe von 2,50 Euro wird beim Kauf ab einem Warenwert von zehn Euro verrechnet. Einzelstücke können gegen Gebühr auch ausgeliehen werden.