Der Bundesliga-Dino blamiert sich, wo er kann: Erst scheidet der Hamburger SV beim Viertligisten Jena aus dem DFB-Pokal aus, dann werden offenbar gestohlene Gehaltslisten und vertrauliche Unterlagen des Managers Knäbel in einem Park gefunden.

Hamburg - Der Hamburger SV wollte besser nicht gesehen werden. Also hatte der Trainer Bruno Labbadia seine Mannschaft zum Straftraining einbestellt am Vormittag nach der 2:3-Niederlage in der ersten Pokalrunde in Jena. Hinter weißen Planen machten die Spieler ihre Übungen. Ein paar Fans suchten nach Lücken im Sichtschutz, die Arbeit von Kameraleuten und Fotografen war erheblich erschwert.

 

Doch existenziell war der Rückzug in die Unsichtbarkeit nicht, den der Verein seit einiger Zeit immer wieder mal praktiziert. Denn die meisten Menschen, die eine emotionale Bindung zum HSV pflegen, wollen ihren Club im Moment ohnehin lieber nicht sehen. Wie man seinen Partner nicht vermisst nach einem heftigen Zerwürfnis. Doch selbst der beste Sichtschutz kann nicht verhindern, dass aus dem Volkspark regelmäßig Dramatisches und Kurioses an die Öffentlichkeit gelangt.

Die Bundesligasaison hat noch nicht angefangen, doch die Hamburger befinden sich schon wieder im Katastrophen-Modus. Einerseits wegen des Ausscheidens aus dem Pokal bei einem Viertligisten, und andererseits, weil im Nachgang der Partie in Jena eine Geschichte auf den Markt kam, die so seltsam ist, dass man sie selbst dem HSV nicht zugetraut hatte.

Verlorene Gehaltstlisten im Park

Die „Bild“-Zeitung hatte bekannt gemacht, dass eine Frau in einem Park im Stadtteil Othmarschen geheime Dokumente des Bundesligisten gefunden habe, darunter Gehaltslisten und Abmachungen mit dem zur neuen Saison verpflichteten Abwehrspieler Emir Spahic. Die Unterlagen stammten aus einem Rucksack, der dem Sportchef Peter Knäbel gestohlen worden war. Knäbel gestand nun ein, dass er den Verlust erst nach ein paar Tagen bemerkt hatte.

Die Geschichte ist undurchsichtig, aber sie ist zusammen mit der Pokal-Blamage dafür verantwortlich, dass die Vorfreude auf den Saisonstart bei vielen Fans ungefähr so groß sein dürfte wie die Lust auf ein Bad in der Elbe bei Minusgraden. In Rekordzeit haben sich die Hoffnungen zerschlagen, dass beim HSV endlich alles gut werden würde nach dem zweiten Fast-Abstieg innerhalb von zwei Spielzeiten.

Die Hamburger haben sich ja größte Mühe gegeben in der Sommerpause, einen seriösen Eindruck zu machen. Der Club tätigte die Verpflichtungen von Albin Ekdal, Sven Schipplock, Gotoku Sakai, Michael Gregoritsch und Spahic, der in Leverkusen zwar zum Prügel-Profi geworden war, sich in den ersten Wochen bei seinem neuen Club aber sichtlich um seine Resozialisierung bemühte.

„Wir sind nicht an die Grenzen gegangen“

Die Testspielergebnisse waren ordentlich, und der Trainer Bruno Labbadia strahlte eine unzähmbare Zuversicht aus, ohne dabei dem Größenwahn zu verfallen. Es schien, als habe der Klassenverbleib in letzter Sekunde in der Relegation gegen Karlsruhe einen neuen Geist einkehren lassen beim HSV. In Jena trat die Mannschaft dann allerdings erschütternd uninspiriert auf – und verlor zu Recht. „Wir sind nicht an und über unsere Grenzen gegangen“, klagte Labbadia.

Der Satz ist im doppelten Sinne besorgniserregend. Denn erstens sollte eine Mannschaft aus der Bundesliga gegen einen Viertligisten auch ohne Grenz-Überschreitung bestehen. Und zweitens predigt Labbadia seit seinem Amtsantritt genau das: dass die Spieler immer hundert Prozent geben müssen, besser noch 120 Prozent. Die Kunst sei nun, nicht alles niederzureden, sagte Labbadia. Das 2:3 nach Verlängerung in Jena hat ihn auch deshalb so getroffen, weil er eigentlich zufrieden war mit der Saisonvorbereitung.

Die Fußball-Republik verfolgt die Leiden des HSV derweil genüsslich. Der Club hat viele Sympathien verspielt in der jüngeren Vergangenheit. Den Abstieg hätten die meisten neutralen Zuschauer als gerechte Strafe dafür empfunden, dass es die Hamburger seit Jahren nicht hinbekommen, konstant Bundesliga-tauglichen Fußball zu spielen, sich einen bemerkenswerten Trainerverschleiß leisten und trotzdem ein starkes Selbstbewusstsein pflegen als einziger Club, der schon immer in der Bundesliga ist. Und das, obwohl der Verein diesen Status in den vergangenen beiden Spielzeiten vor allem dank des Wohlwollens des Fußballgotts aufrecht erhalten konnte.

Das Aus in Jena legt nun den Verdacht nahe, dass der HSV sein Glück aufgebraucht hat. „Ich war mir sicher: Labbadia und den Dino der Liga, die zwingt man einfach nicht in die Knie“, sagte Jenas Trainer Volkan Uluc angesichts des Hamburger 2:2-Ausgleichs in der 94.  Minute. Sollte das schon wieder losgehen? Sollte sich der HSV schon wieder mit mehr Glück als Verstand retten? Nein, diesmal nicht. So sind die Aussichten für den Ligastart am Freitag beim FC Bayern finster. „Hoch werden wir nicht gewinnen“, sagte Trainer Labbadia. Dann lachte er. Immerhin: das  geht noch.