Hanau gegen Uwe Boll Ein Film provoziert die Terroropfer

Der Filmemacher Uwe Boll polarisiert schon seit Jahrzehnten. Foto: imago/Mauersberger

Opferangehörige und Politiker protestieren: Der Trashfilmer Uwe Boll greift den Terroranschlag von Hanau auf. Darf der das?

Stuttgart - Es gibt eine aktive rechtsradikale Terrorszene in Deutschland, es gibt Übergriffe, Anschläge, Morde. Wie schlimm wäre es, wenn unsere Geschichtenerzähler auf diesen Umstand nicht reagieren würden? Wenn man etwa beim Rückblick auf unsere Tage einmal viele Filme über den Beziehungskuddelmuddel WG-erfahrener Schluffis fände, aber keinen Film, in dem sich der Terroranschlag von Hanau spiegelt?

 

Ein scharfer offener Brief

Genau so einen Film wird es nun geben. Der aber wirft mit spaltender Gewalt Fragen auf. Wie zeitlich nahe am Geschehen darf so eine Fiktion entworfen werden? Wie eng entlang der Fakten? Wie intensiv müssen die Opferangehörigen eingebunden werden? Wer darf sich überhaupt an so ein Thema wagen? Und haben Opferangehörige ein bindendes Einspruchsrecht?

Ein offener Brief an den Regisseur Uwe Boll, unterzeichnet unter anderem von den Familien der Opfer, von Vertretern der Ratsfraktionen sowie vom Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky, bezieht da klar Position. „Wir alle“, heißt es da, „fordern Sie mit Nachdruck auf, die Vorbereitungen sofort einzustellen und auf die Dreharbeiten zur Realisierung dieses Films zu verzichten.“ Und weiter: „Unter dem Deckmäntelchen der Aufklärung und Kunst nutzen Sie das unbeschreibliche Leid der Opfer und ihrer Angehörigen, um Ihren Wunsch nach Publicity und die blutrünstige Sensationsgier Ihres Publikums zu befriedigen.“

Ein ganz mieser Ruf

Um die Schärfe des Tons zu verstehen, muss man das Image des 55-jährigen Uwe Boll kennen, das eines skrupellosen Trashfilmers. Dass seine Verächter den mit kruden Videospielverfilmungen berüchtigt Gewordenen gerne als „schlechtesten Regisseur der Welt“ bezeichnen, wird von einem Teil seiner Fans als Ehrenzeichen gewertet, als Spaßgarantie. Aber die Figur Uwe Boll ist komplexer, als das die ersten zehn Ergebnisse einer Google-Abfrage nahelegen.

Boll hat mit kleinsten Budgets angefangen. Gewaltdarstellungen dienten ihm als Mittel der Aufmerksamkeitserzeugung. Aber von Anfang an, bei Filmen wie „Barschel – Mord in Genf?“ (1992) und „Amoklauf“ (1993), hat man die Frage stellen dürfen, ob hier einer nicht doch mit Ästhetikverzicht, Tempo und Unverschämtheit des Trashkinos gesellschaftliche Einmischung anstrebte. Aber Boll wurde als ungehöriger Prolet abgewatscht. Das mag ihn, bewusst oder unbewusst, zu Filmen getrieben haben, die vor allem Trotzgesten gegen Sinneinforderung waren und dem Profit dienten.

Freiheit der Themenwahl

Wer Bolls Schaffen und seine Meinungsäußerungen verfolgt hat, den konnte schon lange der Eindruck beschleichen, der Mann wolle wieder mit den Mitteln des Genrekinos vom Zustand der Welt erzählen. Man muss „Darfur“ (2009) über die Gewalttaten von Beduinenmilizen im Sudan oder „Max Schmeling“ (2013), Bolls Biopic über die Rolle des Boxstars im Dritten Reich, nicht für völlig geglückte Filme halten. Aber sie sind kein Trash und vor allem nicht zynisch.

Man kann Bolls Methode des Nachstellens von Gewalt generell für kontraproduktiv erklären. Aber man kann ihm nicht verbieten, seine Themen frei zu suchen. So schmerzlich das für Opferangehörige sein mag, sie haben kein Vetorecht. Wohl aber gibt es den Schutz der Persönlichkeitsrechte. Der offene Brief aus Hanau droht denn auch juristische Schritte an. Grundlage einer gerichtlichen Auseinandersetzung aber kann nur sein, was auch als Grundlage einer öffentlichen Debatte über Bolls Ziele und Wirkungen unabdingbar ist: Der Film muss fertig sein, und man muss ihn gesehen haben.

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