Handball-Bundesliga Die Rhein-Neckar Löwen und eine Saison in Trümmern

Andy Schmid, Lukas Nilsson, Niclas Kirkelökke, Jannik Kohlbacher, Lion Zacharias (v. li.) lassen die Köpfe hängen – die Rhein-Neckar Löwen spielen eine extrem enttäuschende Saison. Foto: imago/foto2press/Oliver Zimmermann

Die Rhein-Neckar Löwen haben in dieser Saison alle ihre Ziele krachend verpasst. Vor dem Spiel gegen den TVB Stuttgart geht es nur noch um Schadensbegrenzung. Was sind die Hintergründe?

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Sie hatten sehr viel Zeit zum Nachdenken. Am 7. April waren die Rhein-Neckar Löwen letztmals in der Handball-Bundesliga am Ball. Ohnehin nur noch 3220 Zuschauer verabschiedeten die Mannschaft in der SAP-Arena nach der blamablen 28:34-Heimniederlage gegen Aufsteiger HSV Hamburg mit Pfiffen und Buh-Ruhen in die zweiwöchige Pause. „Viel zu wenig“ sei das gewesen, „einen schwarzen Tag“ habe man erlebt, sagte danach Chefcoach Ljubomir Vranjes.

 

Donnerstag gegen TVB Stuttgart

30 Minuspunkte haben die auf Platz zehn abgestürzten Löwen nun schon auf ihrem Konto. So viele wie zuletzt in der Abschlusstabelle 2006, dem ersten Jahr nach dem Aufstieg. Und die Saison hat noch acht Spiele zu bieten – beginnend mit dem Heimspiel gegen den Tabellen-15. TVB Stuttgart an diesem Donnerstag (19.05 Uhr/SAP-Arena). „Klar, könnte man wieder sagen, man muss das schleunigst abstellen. Aber daran arbeiten wir schon seit den vergangenen ein oder zwei Jahren und bekommen es leider nicht hin“, sagte Löwen-Rekordspieler Patrick Groetzki voller Ernüchterung.

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Fest steht: Die aktuelle Saison liegt für die Löwen in Trümmern. Alle Ziele wurden krachend verfehlt. In der Bundesliga ist ein Europapokalplatz außer Reichweite, vielmehr ist noch nicht einmal der Klassenverbleib zu 100 Prozent gesichert. Die Qualifikation für das Final Four im DHB-Pokal in Hamburg wurde verpasst. In der European League reichte es nicht einmal für das Erreichen der Gruppenphase, dabei wollte man diesen Wettbewerb nutzen, um vor allem die jungen Spieler im Kader internationale Erfahrung sammeln lassen. Hinzu kommt, dass der Versuch, die Runde mit dem Übergangstrainer Klaus Gärtner durchzuziehen, grandios schiefging. Der 46-Jährige sollte die Startrampe für Sebastian Hinze sein, dessen Wechsel im kommenden Sommer vom Ligarivalen Bergischen HC zu den Löwen schon lange feststeht.

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Doch die Löwen entschieden sich nach 18 von 34 Spieltagen für die nächste, weitaus prominentere und kostspieligere Übergangslösung: Sie installierten für den langjährigen Assistentscoach Gärtner den Startrainer Ljubomir Vranjes, der 2014 die SG Flensburg-Handewitt zum Champions-League-Titel geführt hatte und zuletzt für die slowenische Nationalmannschaft verantwortlich war.

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Jennifer Kettemann umstritten

Dass auch der Wechsel zu diesem Mann mit viel Renommee nicht den gewünschten Effekt brachte, zeigt: Die Probleme liegen tiefer. Der Verein zahlt den Preis für das Missmanagement der vergangenen Jahre. Die Rhein-Neckar Löwen um die umstrittene Geschäftsführerin Jennifer Kettemann (Vertrag bis 2023) haben sich die dramatische Dauerkrise selbst eingebrockt, zum Beispiel weil der Kader mit zu vielen Spezialisten für Angriff und Abwehr unausgeglichen gestaltet ist.

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Die Abwärtsspirale begann 2019 mit mit dem Abgang von Chefcoach Nikolaj Jacobsen. Unter dem 50-Jährigen gelangen die deutschen Meisterschaften 2016 und 2017 sowie der DHB-Pokal-Sieg 2018. Der dänische Nationalcoach war bei den Badenern viel mehr als nur Trainer, er war die starke Persönlichkeit, er hatte alles unter Kontrolle, er gab die Richtung vor – auch was die Personalplanung betraf.

Jacobsen hinterließ Vakuum

Jacobsen hinterließ ein Vakuum. Weder sein direkter Nachfolger Kristjan Andresson noch Martin Schwalb, noch Gärtner und auch nicht Vranjes konnten es füllen. Der Versäumnisse bei der perspektivischen Kaderzusammenstellung spiegelten sich auch in der Degradierung von Oliver Roggisch wider. Der mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattete ehemalige Nationalspieler ist seit Herbst 2021 nicht mehr als Sportlicher Leiter hauptverantwortlich für die Kaderplanung, sondern firmiert als Sportkoordinator und kümmert sich schwerpunktmäßig auch um die Sponsoren.

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Um was es jetzt für das uninspirierte Starensemble um Andy Schmid, Janick Kohlbacher und den allerdings an der Achillessehne verletzten Uwe Gensheimer noch geht? Zunächst um einen Sieg gegen den TVB Stuttgart (Vranjes: „Da muss alles anders sein als gegen Hamburg“). Und sonst? Um reine Schadensbegrenzung. Dabei hätte vor allem einer einen angenehmeren Abschied verdient: Ausnahmespieler Schmid, der den Verein und die Bundesliga geprägt hat und am Saisonende nach zwölf Jahren in seine Schweizer Heimat zum HC Kriens-Luzern zurückkehrt. „Die Bundesliga ist einmalig, dennoch ist es nun an der Zeit nach Hause zu gehen“, sagt der 38-Jährige. Er geht aus Überzeugung. Aber auch mit viel Wehmut. Gerade nach dieser frustrierenden Abschlusssaison zum Vergessen.

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