Der TVB Stuttgart ist mit dem verdienten 23:21 im Derby bei Frisch Auf in der Tabelle der Handball-Bundesliga am württembergischen Rivalen vorbeigezogen. Der Stuhl von Göppingens Trainer Magnus Andersson wackelt.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Göppingen - Unterschiedlicher hätte die Gemütslage nicht sein können: Auf der einen Seite feierten die Spieler des Handball-Bundesligisten TVB Stuttgart mit ihren 300 mitgereisten Fans ausgelassen den ersten Punktspielsieg gegen Frisch Auf Göppingen seit Menschengedenken, auf der anderen Seite prasselte auf die Spieler in Grün und Weiß beim Gang in die Kabine ein gellendes Pfeifkonzert ein. Zuvor hatte es schon beim Stand von 10:15 (36.) lautstarke Buh-Rufe, Pfiffe und vereinzelte „Magnus-raus“-Rufe gegeben, als Frisch Auf bei einer 6:4-Überzahl den Ball vertändelte. Zwar kam das Team des Trainers Magnus Andersson nach dem 12:18-Rückstand (44.) noch auf 20:21 (55.) heran, doch der kecke Außenseiter brachte vor 4400 Zuschauern den absolut verdienten 23:21- (13:10-)Erfolg nach Hause und stürzte den EHF-Pokalsieger endgültig in die Krise.

 

Ratlosigkeit – zieht Frisch Auf die Reißleine?

Hinterher war die Ratlosigkeit bis unter die Hallendecke spürbar. „So ein Gefühl hatte ich noch nie in meiner Karriere. Ich weiß nicht, an was es liegt. Ich würde es gerne erklären “, sagte Frisch-Auf-Kapitän Zarko Sesum danach. „So werden wir kein Spiel mehr gewinnen“, ergänzte Rückraumkollege Daniel Fontaine. Und für Linkshänder Jens Schöngarth stand fest: „So kann es nicht weitergehen.“ Das Team wirkt nicht zum ersten Mal unstrukturiert, konzeptlos, blutleer, verunsichert und ängstlich. Bezeichnend: Mit Abstand bester Mann war der eingewechselte Torwart Daniel Rebmann.

In solchen, fast schon ausweglos erscheinenden Fällen, wird im Sport gerne auf die befreiende Wirkung eines Trainerwechsels gesetzt. Auch in Göppingen? Unmittelbar nach dem Spiel gab es jedenfalls keine uneingeschränkte Job-Garantie für Andersson. „Wir werden die Situation schnell analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen“, sagte der Sportliche Leiter Christian Schöne auf die Frage nach der Zukunft des Coaches, „aber ich werde jetzt zehn Minuten nach dem Spiel keine Trainerdiskussion anfangen. Magnus kann nichts dafür, wenn wir 15-mal frei vor Jogi Bitter scheitern.“ Sollten die Frisch-Auf-Strategen am Schweden festhalten, dürfte die Partie am kommenden Sonntag (12.30 Uhr) bei Aufsteiger TV Hüttenberg zum Endspiel für den 51-Jährigen werden.

Was geht mich fremdes Leid an, hätte sich Michael Kraus sagen können, doch einen Satz hatte auch der TVB-Spielmacher für seinen Ex-Club übrig: „Ich hoffe, dass in Göppingen jetzt nicht die Welt untergeht.“ Fürs erste steht der TVB in der Tabelle vor Frisch Auf. Auch am Saisonende? „Warum nicht“, antworte Kraus mit bierernster Miene. Sein Verein befindet sich jedenfalls auf einem sehr guten Weg.

Auch die Jungen setzen beim TVB Akzente

Das zeigte auch der kompakte und mutige Auftritt im Derby. Klar stachen die Etablierten heraus: Johannes Bitter (35) zeigte eine Weltklasse-Leistung; Kraus (33) machte viel Druck im Angriff, hatte den Blick für den Kreisläufer und warf auch noch fünf Tore. Doch die erfahrenen Kräfte sind nicht auf sich allein gestellt. Allen voran der wurfstarke 2,07-Meter-Riese Stefan Salger (21/fünf Tore), Neuzugang von der SG Leutershausen, setzt auf Halbrechts wertvolle Impulse. Auch Max Häfner (20), Zugang von Oberligist TSB Schwäbisch Gmünd, sorgt beim ersatzgeschwächten TVB für Entlastung im Rückraum. „Ich bin total happy wie wir uns als Mannschaft präsentiert haben“, lobte Trainer Markus Baur. Ob sein Team am Saisonende vor Frisch Auf steht? „Das ist mir wirklich wurst, wir wollen das Maximale rausholen“, sagte der Weltmeister von 2007. Und sein Kollege Andersson hat ohnehin ganz andere Probleme: „Jetzt brennt bei uns alles“, sagte er. Ob er selbst noch zum Löschen eingesetzt wird, wird sich zeigen.

Aufstellungen

Frisch Auf Göppingen: Prost (1. bis 24. Minute), Rebmann (24 bis 60.); Kneule (2 Tore), Ritterbach, Damgaard (3), Bagersted, Sesum (6), Fontaine (1), Urban (2), Schiller (4/3), Pfahl, Schöngarth, Kozina (3). TVB Stuttgart: Bitter (1. bis 60.), Maier; Schimmelbauer (1), Häfner, Salger (5), Weiß (4), Schagen (3), Schweikardt, Späth (2), Kraus (5), Baumgarten (2), Röthlisberger (1), Burmeister, Kretschmer.