Deutschland hat bei der Handball-EM seine Chancen auf das Halbfinale fast eingebüßt. In einem atemberaubenden Kampfspiel gab es eine 24:25-Niederlage gegen die weiter ungeschlagenen Kroaten.

Wien - Drama ohne Happy End: Die deutschen Handballer haben trotz einer überragenden kämpferischen Leistung und eines großartigen Andreas Wolff im Tor das EM-Schlüsselspiel gegen Kroatien mit 24:25 (14:11) verloren und damit kaum noch realistische Chancen auf einen Platz im Halbfinale. Im Tollhaus der Wiener Stadthalle hatte das Team von Bundestrainer Christian Prokop den Gegner 45 Minuten lang im Griff, doch dann riss der Faden.

 

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Beste deutsche Werfer waren Kapitän Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen), Philipp Weber (Leipzig), Timo Kastening (Hannover) und der viermal vom Siebenmeterpunkt erfolgreiche Tobias Reichmann (Melsungen), die je vier Treffer erzielten.

Ein Kampf um jeden Ball und jeden Zentimeter

Gegen Kroatien war es von Beginn an das erwartete Spiel um jeden Ball, jeden Zentimeter, jedes Tor. Mit einer enorm aggressiven Abwehrarbeit und einem schnellen Umschalten in den Tempoangriff raubten die deutschen Spieler um den trickreichen Ideengeber Philipp Weber ihrem Gegner früh den Nerv. „Das ist eine klasse Verteidigungsleistung und ein supergeiles Tempospiel“, rief Prokop seinen Spielern bei der ersten Auszeit zu: „Es dürfen Fehler passieren, aber ich möchte, dass ihr weiter voll draufgeht, ihr macht das super.“

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Sie gingen drauf, und wie. Sechs Zeitstrafen bereits in der ersten Halbzeit zeugen von einer kompromisslosen Abwehr, die vor allem Kroatiens Stars Domagoj Duvnjak und Luka Cindric ruppig entzauberte. Den bisher ungeschlagenen Kroaten fiel vorne nicht viel ein, sie hatten Probleme mit dem Rückzugsverhalten und ließen sich immer wieder von Deutschlands schneller Mitte und den wieselflinken Außenspielern Uwe Gensheimer auf links und Timo Kastening auf rechts überraschen.

Andreas Wolff strahlt grimmige Entschlossenheit aus

Im Tor stand Andreas Wolff wie ein Fels. Bereits in den ersten 30 Minuten scheiterten die Kroaten gegen den grimmige Entschlossenheit ausstrahlenden Keeper dreimal vom Siebenmeterpunkt. „Andi ist voll da, vor allem ist er jetzt in den Köpfen der Kroaten“, stellte ZDF-Experte Sven-Sören Christophersen in der Halbzeitpause fest. „Andi, Andi“-Sprechchöre im Tollhaus der Stadthalle untermauerten diese These.

Die gute Abwehr vor einem starken Torhüter ermöglichte einen optimalen Übergang ins Tempospiel, mit dem Kroatien schlicht und einfach überfordert war. Deutschland agierte unberechenbar, überraschend, mit vielen Variablen in den Spielzügen. „Wir drücken aufs Tempo wie die Verrückten, und das werden wir auch weiter machen“, sagte Teammanager Oliver Roggisch: „Klar sind sechs Zeitstrafen zur Pause viel, aber wir haben uns vorgenommen, in der Abwehr so aggressiv wie möglich zu spielen.“

Nach der Pause zunehmend unkonzentriert

Aber es ging auch vor der kroatischen Abwehr zur Sache. „Ich möchte, dass ihr auf Stürmerfoul geht“, forderte Prokop, und auch das funktionierte hervorragend. Den Kroaten fiel nichts ein, die deutschen Spieler waren immer einen Schritt schneller am Ball, Duvnjak und seine Mitstreiter wirkten behäbig und völlkommen konsterniert.

Nach der Pause schlichen sich dann wieder kleine Unkonzentriertheiten ins deutsche Spiel ein. Möglicherweise ein bisschen zu selbstbewusst, leistete sich der Angriff leichte Ballverluste, ließ die Abwehr die Kroaten zu nah herankommen. „Jetzt noch mal Power raus, dass wir nochmal ins Tempo kommen. Wir haben Lösungen, und wir schaffen das“, sagte Prokop, als die Kroaten in der 47. Minute bis auf ein Tor herangekommen waren (21:20). Doch der Fluss kam nicht mehr ins deutsche Spiel zurück, letztlich hatten die Kroaten das bessere Ende für sich.