Herr Schiller, wie schätzen Sie die beiden WM-Qualifikationsspiele ein?
Ich habe viel Positives über den Gegner gehört. In der Mannschaft soll es viele junge talentierte Spieler geben, wir müssen mit 100 Prozent Engagement zur Sache gehen.
Aber zittern müssen wir nicht?
Nein, natürlich müssen wir diese Spiele gewinnen und zur WM fahren. Aber es ist wie bei den Fußballern auch: Die Zeiten, dass für die Färöer blutige Amateure am Ball sind, die in ihrem richtigen Leben als Tischler oder Gabelstaplerfahrer ihr Geld verdienen, sind vorbei. Da sind Handballer am Werk, die in den höchsten Ligen in Dänemark, Norwegen und Island unterwegs sind. Bundestrainer Alfred Gislason hat uns bei unserem letzten Lehrgang im März rund um die Testspiele gegen Ungarn (Anm. d. Red.: 31:31 und 30:29) schon ein bisschen was erzählt.
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Der 19-jährige Spielmacher Elias Ellefsen á Skipagøtu soll ein Ausnahmetalent sein.
Ja, er ist der aktuell beste Torschütze des schwedischen Meisters IK Sävehof in der European League. Ich habe gelesen, dass er von halb Europa gejagt wird. Ich freue mich jedenfalls riesig auf die Spiele, wahrscheinlich werde ich nicht mehr oft gegen die Färöer spielen und auch nicht diese Insel betreten. Als Familienvater mit kleinen Kindern hat man andere Urlaubsziele (lacht).
„Basti Heymann muss aufpassen“
Mussten Sie Ihren Vereinskollegen Sebastian Heymann trösten, dass er nicht dabei sein kann?
Ich rede viel mit ihm und spreche Basti Mut zu. Er wäre unheimlich gerne dabei gewesen, aber er muss wegen seiner Entzündung in der Wurfschulter aufpassen, dass es nicht chronisch wird.
Hat es Sie auch überrascht, dass Spielmacher Philipp Weber vom SC Magdeburg nicht nominiert wurde?
Ich glaube, dass auch er Schulterprobleme hat und es nicht an seinen Leistungen liegt.
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Sie selbst kommen immer recht verletzungsfrei durch die Saison.
Toi, toi, toi, hoffentlich bleibt es so. Ich tue auch viel dafür, dass ich fit bleibe in Sachen Athletik, Koordination, Regeneration, Ernährung.
„Balingen war ein Ausrutscher“
Bei Frisch Auf sind Sie zwar fast immer bester Torschütze, dennoch war Ihre Quote schon besser.
Ich bin selbst mein größter Kritiker und weiß, dass ich meine Abschlussquote steigern kann. Ich mache lieber vier Tore bei vier Versuchen, als sechs Treffer bei neun Versuchen wie zuletzt bei der MT Melsungen. Insgesamt steht aber ohnehin der Mannschaftserfolg im Vordergrund.
Wie erklären Sie sich die wechselhaften Auftritte von Frisch Auf?
Ich finde gar nicht, dass wir dieses Jahr so eine extreme Wundertüte sind. Die Heimniederlage gegen HBW Balingen-Weilstetten war der einzige – zugegeben äußerst ärgerliche – Ausrutscher, ansonsten haben wir in der Liga gegen die Teams aus der unteren Hälfte gewonnen.
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Und zuletzt durch den Sieg in Melsungen die Europapokalchance gewahrt.
Ich wäre ein schlechter Sportler, wenn der Sprung auf die europäische Bühne nicht mein Ziel wäre. Deshalb war dieser Auswärtserfolg extrem wichtig. Nach einem 15:20-Rückstand dort noch 26:24 zu gewinnen, war überragend. Da kann ich nur den Hut ziehen vor der Mannschaft.
Ihr Keeper Daniel Rebmann hat bei dieser Begegnung ja einen richtigen Galaauftritt hingelegt.
Es war das beste Spiel, das ich je von ihm gesehen habe. Schade, dass die Torhüter für die WM-Qualifikationsspiele schon vorher feststanden (lacht).
Aber immerhin gab es einen anderen Lohn: Er ist schließlich für den Lehrgang der Beach-Handball-Nationalmannschaft vom 16. bis zum 18. April in Witten nominiert worden.
Ja, Daniel ist ein absolutes Allroundtalent.
Marcel Schiller
Vita
Marcel Schiller wurde am 15. August 1991 in Dettingen/Erms geboren.
In der A-Jugend gewann er mit dem TV Neuhausen/Erms die deutsche A-Jugend-Meisterschaft im Finale gegen den TV Kirchzell (damals mit Nationalmannschaftskeeper Andreas Wolff). Mit dem TVN stieg er 2012 in die Bundesliga auf. Seit 2013 trägt der Linksaußen den Dress von Frisch Auf Göppingen. 2016 und 2017 gewann Schiller mit dem Traditionsclub den EHF-Pokal. Sein Vertrag läuft bis 2023. Der Rechtshänder hat bisher 38 Länderspiele absolviert und dabei 144 Tore erzielt.
Privates
Schiller ist verheiratet mit Doro. Das Paar hat die Söhne Leo (3) und Max (1). Der gelernte Physiotherapeut ist ein großer Basketball-Fan. Sein Lieblingsclub in der NBA sind die Golden State Warriors. jüf