Oliver Roggisch alias „The Rogg“ zeigt sich bei der Handball WM in Topform und ist der Anführer des deutschen Teams. „Ich wollte es ein paar Leuten noch einmal beweisen. Mir selbst auch“, sagt er.

Barcelona - Das Mittelmeer war nah. Und die Sonne schien warm. Doch die deutschen Handballer hatten am Montag keine Zeit, im Hotel Princess in Barcelona die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen. Der nächste Auftrag wartete ja. Das Team von Bundestrainer Martin Heuberger verließ die katalanische Metropole Montagmittag mit dem Mannschaftsbus gen Saragossa, wo es am Mittwoch das Viertelfinale der 23. WM gegen Gastgeber Spanien oder den Vizeeuropameister Serbien bestreitet. Und die Profis platzen inzwischen vor Selbstvertrauen. „Mit uns ist mittlerweile zu rechnen“, sagt der Spielmacher Michael Haaß (Göppingen), sein Blick verriet Entschlossenheit. „Ich bin sicher, dass wir die Spannung jetzt nicht verlieren“, sagt der Bundestrainer.

 

Nach dem 28:23-Achtelfinalsieg am Sonntag gegen Mazedonien, das wissen alle, können sie Handballgeschichte schreiben. Sollte dem Team um den Kapitän Oliver Roggisch tatsächlich noch ein Sieg gelingen, dann wäre dies erst das dritte WM-Halbfinale in den vergangenen drei Jahrzehnten – und dies mit einem Kader, dem einige Experten nicht einmal das Überstehen der Vorrunde zugetraut hatten. Derlei Prognosen haben einige erkennbar gefuchst, aber auch angestachelt. „Ich versuche, aus negativer Presse Motivation zu ziehen“, sagt der Abwehrchef Roggisch. „Ich wollte es ein paar Leuten noch einmal beweisen. Mir selbst auch.“

Schlüsselfigur im Team

Er ist erkennbar einer der Anführer, eine Schlüsselfigur im Team. „Großes Kompliment“, sagt Heuberger, „nicht nur, wie er als Kapitän der Mannschaft agiert. Er ist auch sehr stark auf dem Feld.“ Roggisch strahlt nämlich plötzlich Torgefahr aus, gegen Mazedonien stahl er zwei Bälle, verwertete diese in Tempogegenstößen. Zuvor waren dem Südbadener in 188 Länderspielen lediglich 40 Tore gelungen. „Ich hoffe, dass wir weiter einen sprintfähigen Oli erleben“, sagt der Bundestrainer.

Im Alter von 34 Jahren hat Roggisch sogar noch eine Eigenschaft abgelegt, die seine Teams oft in Nachteil gebracht haben. Er meckert nicht mehr in jeder Szene. „Er lässt das Lamentieren, das Kommentieren jeder Schiedsrichterentscheidung“, sagt Heuberger, das hätten beide aber in einem Gespräch vor der WM auch so besprochen.

Roggisch, genannt „The Rogg“, das war stets die Verkörperung von Härte, auch gegen sich selbst. Unvergessen die Szene in dem Film „Projekt Gold“, in dem er vom Arzt während eines Länderspiels gefragt wird, ob er eine Betäubung brauche, als eine Fleischwunde an der Stirn getackert werden sollte. „Ohne“, sagte Roggisch. „Aber pass auf meine Frisur auf.“ Bei diesem Turnier schmerzt der Rücken. „Und der Zehennagel tut weh“, sagt er. „Trainieren kann ich heute wohl nicht, aber fürs Spiel muss es dann reichen.“

„Feintuning ist besser geworden“

Roggisch, das ist nun auch jemand, der den vielen jüngeren Profis im Team erzählen kann, wie ein solches Turnier erfolgreich gespielt wird; beim Viertelfinalsieg bei der WM 2007 gegen Spanien zählte er schon zu den Stützen in der Defensive. Nun ist er – mit Haaß – wieder derjenige, der alles zusammenhält, und der mit Ruhe und Gelassenheit auch die Kritiken zu Beginn lässig wegsteckte. „Die Abwehr hat zwei Spiele gebraucht. In der Bundesliga wächst sie eben schneller zusammen. Das Feintuning ist immer besser geworden.“ Dass auch er eine große Leistungssteigerung vollzog, dafür seien seine Nebenleute mit verantwortlich. „Ich profitiere davon, wenn die Jungs neben mir Vollgas geben in der Abwehr. Alle ziehen voll mit.“

Roggisch wird noch ein paar Turniere spielen, aber wenn er irgendwann aufhört, dann verliert der deutsche Handball einen Typ. Einen Handballer, der sich auch nicht scheut, deutliche Worte zu finden, wenn ihm irgendetwas in die Quere kommt. Als vor der WM über den Bundestrainer diskutiert wurde, da zeterte er, das sei „respektlos“. Jetzt, da diese Mannschaft sich in einen Rausch hineingesteigert hat und sich zur Sensation des Turniers entwickelt hat, kostet er die Stunden mit dieser Mannschaft aus. „Die Arbeit hat sich gelohnt.“