Kritiker sorgen sich um das Image der Einkaufsmeile, weil sich nur noch günstige Modeketten die Mieten an der Königstraße leisten können. Den Kunden scheint das egal: Einer Studie zufolge ist die Frequenz in Stuttgart höher als in München oder Hamburg.

Stuttgart - Woran merkt man, dass in Baden-Württemberg derzeit Schulferien sind? An der gestiegenen Anzahl an Primark-Tüten in der Innenstadt. Die jugendliche Kundschaft der hinterm Hauptbahnhof im Stuttgarter Einkaufzentrum Milaeno eingemieteten irischen Billigkette nutzt die Pfingstferien, um sich mit preisgünstiger Mode einzudecken. Anschließend wird über die Königstraße flaniert. Dabei ist das Milaneo an diesem Feriennachmittag sehr überschaubar besucht. Wer mit einem ähnlichen Ansturm gerechnet hat, wie es in den vergangenen Herbstferien kurz nach der Eröffnung der Shoppingmall der Fall war, wird enttäuscht. Außerhalb von Primark ist nichts los. Dafür wird die Fußgängerzone beinahe überrannt. Scheinbar macht es bei schönem Wetter deutlich mehr Spaß, an der Königstraße als in der Mall zu flanieren. Das bestätigt auch Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg: „Der Besucherstrom hat gerade jetzt in den Pfingstferien spürbar zugenommen.“

 

Viele Stuttgarter Händler haben zudem beobachtet, dass sich die Anfangseuphorie um das Milaneo bereits gelegt hat. Anfangs hatte das Einkaufszentrum den Händlern der Königstraße große Probleme bereitet. Nicht nur Verena Sippel, die Filialleiterin der Buchhandlung Hugendubel in Stuttgart, hatte Ende vergangenen Jahres über ein sehr schlechtes Weihnachtsgeschäft geklagt und diesen Umstand auf die Milaneo-Eröffnung zurückgeführt; die Stuttgarter Hugendubel-Filiale musste mittlerweile schließen, an der Königstraße 5 zieht die polnische Modekette Reserved ein.

An die Königstraße ziehen nur noch Modeketten

Der Wechsel im Hugendubel-Gebäude ist dabei exemplarisch. Werden große Flächen an der Königstraße neu vermietet, scheint es derzeit so, als kämen allein internationale Modeketten und Billiganbieter zum Zug. Jüngstes Beispiel ist die US-Marke TK Maxx, die im Oktober anstelle von C & A auf rund 3800 Quadratmetern und drei Etagen gegenüber dem Haus der Katholischen Kirche einzieht. Und der Siegeszug von H&M, Zara und Co. scheint ohnehin seit Jahren nicht mehr zu stoppen.

Während das für die einen den Verfall des Quartiers bedeutet, scheint diese Ausrichtung bei einem Teil der Kundschaft jedoch sehr gut anzukommen. In Sachen Frequenz rangiert Stuttgarts Prachtstraße auf Rang drei im nationalen Vergleich. Nach einer Zählung der Gewerbemakler von Jones Lang Lasalle aus dem vergangenen Jahr liegt die Königstraße auf Rang drei der großen Einkaufsstraßen. Auf Platz eins und zwei liegen die Schildergasse in Köln mit 14 590 Passanten in der Stunde und die Hohe Straße, ebenfalls in Köln, mit 12 795 Passanten pro Stunde. Die Stuttgarter Einkaufsmeile folgt vor den Boulevards in München, Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt auf Rang drei. Hier wurden damals 12 655 Menschen in der Stunde gezählt.

Anzahl der Ketten an der Königstraße bei 93 Prozent

Die Beliebtheit bei den Kunden führt zwangsläufig zu steigenden Mieten für die Geschäfte. „In der Spitze liegen sie bei etwa 320 Euro pro Quadratmeter für Ladenflächen bis rund 100 Quadratmeter“, schreiben die Immobilienberater von Colliers in ihrem jüngsten Marktbericht. Inhabergeführte Ladengeschäfte haben aufgrund dieser Entwicklung kaum noch eine Chance. Colliers gibt den Filialisierungsgrad – also den Anteil von Ketten – mit 93 Prozent an. Zum Vergleich: dieser Anteil beträgt rund um die Tübinger, Sophien- und die Marienstraße weniger als 66 Prozent.

Eine Entwicklung, die nicht überall auf Gegenliebe trifft. „Früher war die Königstraße Stuttgarts Prachtstraße mit dem besten Warenangebot der Stadt. Das hat sich leider verändert“, erklärt Heinz Reinboth, Chef der Interessengemeinschaft Königstraße. „Dafür gebe ich den Vermietern die Schuld. Die Miete diktiert heute das Angebot und nicht mehr der Wert der Ware.“

Kommt nach TK Maxx und Reserved auch noch Primark?

Stuttgarts City-Managerin Bettina Fuchs fungiert als Sprachrohr der Innenstadt. Sie sieht in der aktuellen Entwicklung nicht unbedingt einen Nachteil für die Einkaufsmeile. „Ich bin froh, dass wir eine Bereicherung für die Königstraße erhalten, da die neuen Marken bislang hier noch nicht vertreten sind“, sagt Fuchs über TK Maxx und das polnische Modelabel Reserved. Sollten sich zudem die Gerüchte um den Einzug der irischen Billigmodekette Primark im alten Karstadtgebäude bestätigen, würde sich der Siegeszug der günstigen Textilanbieter fortsetzen.