Escher schließt am 4. Februar den Standort in Winnenden – obwohl es der Branche besser geht, als eine Studie urteilt. Die Inhaberin erklärt, was zum Ende führte, und warum es während der Coronapandemie besser lief.
Für Marion Escher, die Inhaberin des gleichnamigen Reformhauses, ist es kein leichter Schritt. Das Geschäft am Standort in Winnenden wird am Samstag, 4. Februar, schließen. Den Kunden wurde das Aus des Fachgeschäfts in der Winnender Innenstadt bereits kommuniziert. Das Bedauern scheint groß. „Ich habe auch einige Mails von Kunden erhalten, die die Schließung bedauern und nachfragen, warum das Geschäft schließen muss“, sagt Marion Escher. „Ich habe den Kunden natürlich geantwortet. Mir fällt die Schließung ja auch nicht leicht“, sagt sie. Als Gründe nennt die Inhaberin mehrere Faktoren. Ein Punkt seien etwa mangelnde Umsätze. Während der Coronakrise habe es zwar einen kleinen Aufschwung bei den Umsätzen gegeben, doch der sei inzwischen wieder weggebrochen.
Fläche und Sortiment vergrößert Vor sieben Jahren hatte Marion Escher das Winnender Reformhaus in den Räumen in der Bengelstraße 10 eröffnet. Die Räume waren damals durch den Auszug des Bioladens Naturkostinsel frei geworden. Durch den Umzug an den neuen Standort hatte sie die Fläche des Geschäftes auf rund 160 Quadratmeter vergrößert. „Wir haben auch einiges in die Sanierung der Räume investiert“, berichtet die Inhaberin. Zuvor war das Reformhaus in der Mühltorstraße 7 auf rund 70 Quadratmeter Fläche untergebracht. Dort hatte Marion Escher im Jahr 2008 das damalige Reformhaus Spachmann übernommen und weitergeführt.
„Wir haben uns bewusst vergrößert, den Bereich mit Obst und Gemüse ausgeweitet und eine lange Kühltheke sowie eine Käsetheke installiert. Wir wollten bewusst die Kundschaft im Innenstadtbereich bedienen“, sagt Marion Escher.
Mit einer schwarzen Null betrieben Doch die entsprechende Resonanz habe auf Dauer gefehlt. Man habe den Standort finanziell mit einer schwarzen Null über einige Zeit mitbetrieben. „Nun mussten wir leider die Reißleine ziehen“, sagt Marion Escher mit Blick auf steigende Energiekosten, die oben drauf kämen. Den Kunden, die das Aus hinterfragen, erkläre sie die Gründe. Doch sie appelliert auch grundsätzlich, den stationären Einzelhandel im Ort zu unterstützen. „Vielen Kunden ist gar nicht bewusst, wie sehr sie mit ihrem Einkaufsverhalten zum Erhalt der Geschäfte in den Innenstädten beitragen können.“
Den drei Mitarbeitern im Winnender Geschäft sei angeboten worden, in eine der anderen Filialen zu wechseln. Eine Kraft werde künftig in Waiblingen tätig sein. Die anderen Mitarbeiter hätten sich indes entschieden, andere berufliche Wege einzuschlagen. Das Winnender Geschäft ist unweit der Fußgängerzone in einer Parallelstraße. Doch in die Fußgängerzone zu wechseln, das sei an dort zu hohen Mieten gescheitert. Allgemein sei die Nachfrage in den Reformhäusern aufgrund der derzeitigen Kaufzurückhaltung etwas rückgängig. Das Einkaufsverhalten der Kunden habe sich in den letzten Monaten stark verändert. In der Coronapandemie sei häufiger mit frischen Lebensmitteln selbst gekocht worden, viele achteten mehr auf gesunde Ernährung. Das habe sich auch in einer höheren Nachfrage im Reformhaus niedergeschlagen. Doch leider habe sich der Trend wieder gedreht.
Die Filiale in Winnenden wird zum 4. Februar geschlossen,jetzt finden dort noch Aktionstage statt, mit denen das Jubiläum der Vita-Nova-Reformhäuser gefeiert wird. „Wir bedanken uns für die Treue und würden uns freuen, Sie in unseren Filialen in Waiblingen, Fellbach oder Bad Cannstatt begrüßen zu dürfen“, heißt es auf einem Schild an der Ladentür. Die Filialen in Fellbach, Waiblingen und Bad Cannstatt sind ähnlich groß mit je rund 240 Quadratmeter Fläche.
In Fellbach wurde expandiert In Fellbach zog das Reformhaus im Herbst 2017 in neue Räume im Wüst-Areal in die Bahnhofstraße 28. Durch den Umzug aus der Cannstatter Straße 112 in die Bahnhofstraße wurden die Fläche fast verdreifacht und das Sortiment ist auf rund 6000 Artikel angewachsen. Das Geschäft in Waiblingen in der Fronackerstraße wurde im Juli 2018 komplett renoviert, das Ladenlokal in Bad Cannstatt zog bereits im Oktober 2016 in die Fußgängerzone um, es wurde dabei von 75 Quadratmetern auf 250 Quadratmeter vergrößert und rundum erneuert. Das Hauptgeschäft von Marion Escher ist in Göppingen. Insgesamt führt sie acht Reformhäuser. Ihr Mann führt zahlreiche weitere Reformhäuser, dessen Filialen sind im Saarland, dem Rhein-Neckargebiet, der Pfalz und dem Großraum Stuttgart ansässig. Durch den Verbund im Familienbetrieb gebe es Preisvorteile im Einkauf, von denen auch die Kunden profitieren könnten.
Genossenschaft widerspricht Studie Die Händler im Reformhaus-Verbund machen zwar weniger Umsatz, stünden aber weit besser da als es Branchenzahlen vermuten ließen. Rainer Plum, Vorstand der Reformhaus-Genossenschaft, widerspricht damit Marktzahlen, die die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Herbst veröffentlicht hatte. Bei den Reformhäusern seiner Genossenschaft seien die Umsätze 2022 um maximal zwei bis drei Prozent gegenüber 2021 gesunken, sagt Rainer Plum. Die Reformhaus Genossenschaft hatte nach eigenen Angaben 2021 knapp 300 Mitglieder, die in Deutschland rund 780 Reformhäuser betrieben.
Mit einem Rückgang von etwa zwei bis drei Prozent habe sich der Umsatz erheblich besser entwickelt als zuletzt erwartet worden sei. Im September vergangenen Jahres, als der gesamte Einzelhandel von Kaufzurückhaltung und Inflation gebeutelt worden sei, hätten die Reformhäuser noch ein Minus von rund acht Prozent gemeldet. Als Umsatzbringer hätten sich in der Weihnachtszeit Naturarznei- und Kurmittel sowie Naturkosmetikprodukte erwiesen. „Unsere Sortimentsbreite, weit über pflanzenbasierte Bio-Lebensmittel hinaus, macht unser Geschäft stabil“, sagt Plum. Der Grad an Diversifikation der Fachgeschäfte werde häufig unterschätzt. Bei ihren Marktanalysen habe die GfK Reformhäuser der Naturkostbranche zugeordnet, die mit ihrem alleinigen Fokus auf Bio-Lebensmittel zuletzt hohe Einbrüche verzeichnet habe.
Lebensmittel nur Teil des Angebots „Lebensmittel machen aber nur rund die Hälfte unserer Sortimentsstruktur aus“, sagt der Reformhaus-Vorstand. Die andere Hälfte setzt sich aus diätetischen Lebensmitteln (4 Prozent), Nahrungsergänzungsmitteln, medizinischen Produkten und freiverkäuflichen Arzneimitteln (18 Prozent), Naturkosmetik und Körperpflege (19 Prozent) sowie sonstigen Produkten (9 Prozent) zusammen, heißt es in einer Mitteilung der Reformhaus Marketing GmbH vom Januar.
Plum erwartet für dieses Jahr zwar, dass der Einzelhandelsmarkt vorerst angespannt bleibt.„Wir werden aber weiter unsere ureigenen Stärken ausspielen.“ Dazu gehören für ihn die Mitarbeitenden, die sich für die Beratung ihrer Kunden in der Reformhaus-Fachakademie fortbilden.
Eine weitere Stärke habe in den vergangenen Monaten strapazierter Lieferketten im Einzelhandel noch an Relevanz gewonnen: die Unabhängigkeit von Düngemitteln und synthetischen Pestiziden. Hersteller konventioneller Produkte kämpften viel stärker mit steigenden Beschaffungspreisen.