Stuttgarts Toplage steht einer der größten städtebauliche Eingriffe nach dem Krieg bevor. Die Gebäude mit den Hausnummern 1, 3, 35, 38, 41 und 45 stehen vor dem Abriss. Händler befürchten, dass die Baustellen Auswirkungen auf den Umsatz haben.

Stuttgart - Was eine Baustelle in der Königstraße für Folgen haben kann, zeigt momentan die Sanierung des früheren Karstadt-Gebäudes. Passanten meiden diesen Bereich, Händler im Umfeld machen weniger Geschäfte, manche müssen ganz aufgeben. So klagte WMF als unmittelbarer Nachbar über die enormen Belastungen, und die Händler in der angrenzenden Tübinger Straße berichteten ebenso über Kunden- und Umsatzeinbußen. Massive Auswirkungen sind jedoch am Oppenheimerplatz und der Neuen Brücke, der Baustellenzufahrt, zu beobachten. Dort haben nur zwei Geschäfte überlebt. Sechs Läden stehen leer.

 

Spätestens im Dezember soll nun Schluss sein. Der Lärm, der Staub und der Baustellenverkehr werden dann ein Ende haben. Primark eröffnet am 5. Dezember seine zweite Fläche neben jener im Milaneo. Doch in der Königstraße wird keine Ruhe einkehren. In den kommenden zwei Jahren sind weitere Großbaustellen geplant. Verschiedene Immobilienmakler bestätigen, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren die Gebäude mit den Hausnummer 35 (Schlossparfümerie) und 41 (Wempe) für Neubauten abgerissen sowie die Nummer 38 (Würth-Heimwerkerbedarf) kernsaniert werden sollen. Die Eigentümer der Häuser 38 und 41 (Aachener Grund) sowie 35 (Allianz) schweigen sich zu den Abrissplänen aus. Damit nicht genug: Auch an der Königstraße 1, deren Besitzer ist die BW-Bank, sind Planungen mit dem Stadtplanungsamt unter dem Arbeitstitel „Projekt Marstall“ zu einem Neubau im Gange. Allerdings verrät der Name, dass der Abriss sogar die Königsstraße 3 umfassen könnte. Denn die Nummer 3 grenzt an die Marstallstraße.

20 Prozent weniger Passanten

Schon länger ist bekannt, dass das Schlossgarten-Hotel seine Räume sanieren will, dazu aber auf einen langfristigen Mietvertrag pocht. Doch dazu kam es nie. Nun wird klar warum. Hier plant die BW-Bank offenbar ein großes Projekt. Es wäre, wenn es in drei Jahren losgeht, ein weiterer tiefer Einschnitt in die Königstraße, die ohnehin leidet. Die Toplage hat inzwischen einen Filialisierungrad von 92 Prozent und ein Mitpreisniveau bis zu 350 Euro pro Quadratmeter, aber nur noch zwischen 8500 und 10 000 Passanten pro Stunde.

Aber auch am oberen Ende ist ein großer Eingriff geplant. Es heißt, dass das sogenannte Hofbräu-Eck (Königstraße 45) an der Querspange ebenso zur Disposition steht. Hier soll im Frühjahr 2018 über einen Abriss entscheiden werden.

Unterm Strich stehen damit, sollten diese Projekte alle realisiert werden, enorme städtebauliche Eingriffe an. Wahrscheinlich die größten in der Geschichte der Königstraße. Manche Händler nennen es sogar „Operationen am offenen Herzen“. „Weitere Großbaustellen werden die schlechte Frequenzsituation auf der Königstraße weiter verschärfen. Der Dreck und der Lärm werden eine enorme Belastung“, sagt Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer, „durch die Rahmenbedingungen in der City sind wir doch ohnehin gebeutelt.“ In den letzten Jahren hat die Königstraße laut den Zählungen verschiedener Makler rund 20 Prozent Passanten verloren. Allerdings hofft Bartle, dass am Ende aller Baumaßnahmen, „die Königstraße besser denn je dastehen wird“.

Händler zwischen Freude und Sorge

Ähnlich sieht es auch Florian Henneka von Korbmayer, der direkt von der Primark-Baustelle in der Schulstraße betroffen war. „Ich glaube, dass diese Baustellen einige Händler in Bedrängnis bringen können, aber die Königstraße insgesamt wird es verkraften.“ Mit Freude erwarten indes alle Händler daher die Neueröffnung von Primark auf der Königstraße. „Das wird die Passantenfrequenz enorm stärken und wohl auch zu einer Verlagerung weg vom Milaneo hin zur Innenstadt führen“, sagt Bartle. Auch Henneka verspricht sich einen positiven Effekt durch den Einzug der irischen Billigtextilkette.

Beide sind sich einig, dass auch jene Händler profitieren, deren Sortiment nicht vom Primark-Zielpublikum angesprochen wird. „Hauptsache Frequenz in der Innenstadt“, sagt Henneka, „dazu gehören alle Facetten des Handels.“ Oder wie es Handelsverbandsgeschäftsführerin Sabine Hagmann auf den Punkt bringt: „Unter diesen Baumaßnahmen kann der Handel leiden. Aber die Investitionen können auch eine Chance für die Innenstadt sein.“

Fazit: Die Bedingungen für die Händler in der Königstraße werden noch härter. Die Zukunft ist schwer einschätzbar. Sie ist voller Chancen, aber auch extremer Risiken.