Überzogene Erwartungen an die Gespräche über ein Handelsabkommen mit den USA sind fehl am Platze, meint Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Es ist müßig, jetzt TTIP nachzutrauern. Ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, das nicht nur die Zölle beseitigt, sondern die Standards bei Verbraucher- und Umweltschutz wahrt und hiesigen Unternehmen die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in den USA erlaubt, ist gescheitert. Vor allem gescheitert, weil die Obama-Regierung nicht so viele Zugeständnisse machen wollte. Jetzt sind Trump-Zeiten angebrochen. Und gemessen an Donald Trumps Drohung, Strafzölle bei Einfuhren von Pkw und Autoteilen aus Europa zu erheben und damit die Herzkammer der deutschen Volkswirtschaft zu treffen, ist schon jetzt eine Menge erreicht worden. Dass die Autozölle auf Eis liegen, ist ein Riesenerfolg, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker errungen hat. Vorerst ist nicht mehr die Rede davon, dass Daimler-Fahrzeuge von US-Boulevards verschwinden sollen. Vermutlich ist es Wirtschaftsexperten gelungen, Trump verständlich zu machen, dass Strafzölle auf Autos auch der US-Industrie schaden: Kolben, Katalysatoren und Batterien kommen vielfach aus Europa.

 

Besser als die Eskalation des Handelskonflikts

Von einem Realpolitiker muss man verlangen können, dass er jetzt das Beste aus dieser Situation macht. Bislang halten sich die Kosten in Grenzen: Die Europäer haben sich lediglich verpflichtet, amerikanischen Farmern Soja abzukaufen. Das kommt nicht ungelegen, zumal die Chinesen Soja nun vor allem aus Afrika beziehen. Es dürfte technisch schwierig werden, ein Zollabkommen für Industriegüter zu schmieden, das den Anforderungen der WTO entspricht. Man muss sich auch fragen, ob die angepeilte Angleichung von industriellen Normen aus Gründen des Wettbewerbs immer im Interesse der hiesigen Unternehmen ist. Klar ist aber: Unter dem Strich wäre letztlich selbst ein Abkommen, bei dem die EU große Abstriche machen müsste, besser als die Eskalation des Handelskonflikts. In den letzten Monaten konnte die Welt schon einmal in den Abgrund blicken: Die Reaktion an den Börsen hat gezeigt, welche verheerende Schäden ein Handelskrieg anrichtet. Bis auf Weiteres muss man froh sein, dass Washington und Brüssel im Dialog sind: Solange sie miteinander reden, fallen sie nicht übereinander her.