Die EU-Kommission bereitet im Handelskonflikt mit den USA Vergeltungsmaßnahmen vor. Das Weiße Haus kündigt seinerseits Ausnahmen bei den geplanten Strafzöllen für manche Länder an – entgegen seiner bisherigen Absichten.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die EU-Kommission bereitet im Handelskonflikt mit den USA Vergeltungsmaßnahmen vor. Sie will auf US-Produkte beim Import Abgaben in Höhe von 2,8 Milliarden Euro erheben. Damit würden die beabsichtigten Strafzölle nur knapp halb so hoch ausfallen wie der Wert von Stahl- und Aluminiumimporten aus der EU, den die USA mit Strafzöllen in Höhe von 25 beziehungsweise zehn Prozent belegen wollen. Nach Informationen unserer Zeitung haben sich die Kommissare bei ihrer Sitzung am Mittwoch auf eine Liste mit rund 100 US-Produkten, im Fachjargon Zolllinien, geeinigt, die im Ernstfall von Gegenmaßnahmen betroffen wären.

 

Laut internationalem Handelsrecht und Verständnis der EU wäre Europa dazu berechtigt, in Reaktion auf die Strafzölle der USA US-Produkte mit einem Importvolumen zu treffen, das dem Wert der EU-Stahl- und Aluminiumimporte in die USA entspricht. Auf der Liste, die die Kommission jetzt mit den Mitgliedstaaten diskutieren will, stehen fast alle Stahlprodukte sowie viele stahlbezogene Produkte, darunter etwa Segeljachten und Motorräder über 800 Kubikzentimeter. Der Name Harley-Davidson ist nicht eigens vermerkt. Allerdings ist damit klar, dass die Zweiradmarke von Zollaufschlägen betroffen wäre.

Unter vielen Agrargütern wie etwa Erdnüssen, Orangen sowie vielen Getreidearten wie Mais und Korn ist auch Bourbon erwähnt. Demnach plant die Europäische Union zusätzliche Importzölle auf US-Whiskey mit einem Importvolumen von 190 Millionen Euro zu erheben, sollte US-Präsident Donald Trump die Strafzölle tatsächlich umsetzen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström übte nach dem Beschluss der Kommissare deutliche Kritik an Trump persönlich. Seine Ankündigung, neue Zölle gegen europäische Automobilhersteller zu verhängen, entbehre jeglicher Grundlage. Wörtlich sagte die Schwedin: „Die Sache mit den Autos beruht nicht auf Fakten.“ Europäische Autobauer produzierten jedes Jahr in den USA zwei Millionen Fahrzeuge. „Sie geben Amerikanern Arbeit und sorgen für Einnahmen in der US-Volkswirtschaft.“

Die geplanten Maßnahmen würden Tausende Arbeitsplätze gefährden

Auf Personenwagen verlange die EU zwar etwas höhere Importzölle als die USA, aber Lastwagen seien in den USA deutlich höher belastet. „Wir haben versucht, diese Handelsschranken in den TTIP-Verhandlungen abzuräumen.“ Zudem kritisierte Malmström die Begründung Trumps für die Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Sie habe „ernsthafte Zweifel“, dass Stahlimporte aus Europa die nationale Sicherheit gefährdeten, wie Trump zur Begründung der Strafzölle anführt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum „die engsten Verbündeten der USA nun eine Bedrohung für sie darstellen sollen“. Die geplanten Maßnahmen würden Tausende von Arbeitsplätzen gefährden. In Brüssel, so Malmström weiter, „hoffen wir immer noch, dass die EU ausgenommen wird“.

Weißes Haus kündigt Ausnahmen an

Tatsächlich erklärte das Weiße Haus am Mittwoch, Mexiko, Kanada und weitere Staaten könnten von den geplanten Strafzöllen ausgenommen werden. Über mögliche Ausnahmen würde von Fall zu Fall und je nach Land entschieden, sagte Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders. Auch sie nannte die nationale Sicherheit der jeweiligen Länder als Grundlage für die jeweiligen Entscheidungen. Die Offenheit gegenüber einzelnen Ausnahmen stellt eine Abkehr von der erst kürzlich geäußerten Absicht des Weißen Hauses dar, wonach es keine Ausnahmen geben werde.

Die Vergeltungsmaßnahmen der EU müssen schnell kommen. Laut dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) müssen sie binnen 90 Tagen in Kraft gesetzt werden, nachdem Trump seinerseits die Strafzölle erlässt. Bislang sind sie von ihm lediglich angekündigt worden. Es wird damit gerechnet, dass sie in den nächsten Tagen auch in Kraft gesetzt werden. Gegenmaßnahmen der EU auf die Strafzölle auf Aluminium sind aus rechtlichen Gründen erst nach drei Jahren möglich.

Die EU-Kommission will gegen mögliche Strafzölle klagen

Neben gezielten Vergeltungsmaßnahmen setzt die Kommission auf den Rechtsweg. Gemeinsam mit anderen Handelspartnern, die von den Strafzöllen betroffen wären, plane man eine Klage bei der WTO gegen die nach eigener Überzeugung ungerechten Zölle. Diese Klage würde die Kommission unmittelbar nach Verkündung der Strafzölle durch die USA einreichen. Zudem behält sie sich eine dritte Maßnahme vor: So wird etwa in Brüssel befürchtet, dass Stahlexporteure aus Brasilien, Kanada und China verstärkt in den EU-Markt drängen, sollte der US-Markt stärker abgeriegelt werden. Für diesen Fall behält sich die EU-Kommission vor, sogenannte Schutzinstrumente zu ergreifen. Darunter sind Zölle zu verstehen, die dann Länder wie Brasilien oder China treffen würden. Diese Schutzinstrumente sind mit WTO-Recht vereinbar, wenn Märkte unvermittelt mit Angeboten überschwemmt werden. In Brüssel gilt dieses Szenario aber nicht gerade als wahrscheinlich: Schließlich will sich die EU-Kommission mit diesen Ländern auf ein koordiniertes Vorgehen bei der WTO verständigen.

Die USA sind für die Europäische Union der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Nach Angaben der EU-Kommission betrugen 2016 EU-Warenexporte in die USA rund 362 Milliarden Euro. Die Güterimporte aus den USA hatten einen Wert von etwa 246,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen erhebliche Dienstleistungsexporte sowie direkte Investitionen von Firmen.