In Stuttgart wurden zum Ausbildungsstart am 1. September rund vier Prozent weniger Verträge abgeschlossen als im Vorjahr. Manche Branchen haben genug Azubis, manchen fehlen sie.

Zuffenhausen - Wir haben schon seit einiger Zeit Probleme, Nachwuchs für unsere Klempnerei zu finden. Dieses Jahr starten wir tatsächlich ohne Azubi in das Ausbildungsjahr“, sagt Hanna Schaaf. Das sei ein herber Rückschlag, weil die Personaldecke immer dünner werde. Jedes Jahr stellt der gleichnamige Zuffenhäuser Familienbetrieb, in dessen Geschäftsleitung Hanna Schaaf sitzt, einen Klempner- und einen Zimmerer-Azubi ein. So schlecht es bei ersteren aussieht, so positiv ist die Situation bei letzteren. Für den Klempner-Ausbildungsplatz hatten sich mehr als zehn junge Leute beworben.

 

Manche Betriebe suchen dringend nach Azubis

Ähnlich gemischt wie bei der Firma Schaaf ist auch die Bilanz der Handwerkskammer der Region Stuttgart. Grundsätzlich zeigt man sich dort zu Beginn des Ausbildungsjahres ziemlich zufrieden: Zum Start am 1. September konnten in der Region 3702 Ausbildungsverträge abgeschlossen werden. Das sind 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Weniger gut sieht die Lage freilich in der Stadt Stuttgart aus: Mit 657 Verträgen liegt man gut vier Prozent hinter der Zahl von 2020. Grundsätzlich, das betont Pressesprecher Gerd Kistenfeger, hinterlasse die Coronapandemie natürlich auch hier ihre Spuren. An einem habe Corona aber laut Hauptgeschäftsführer Thomas Hoefling nichts geändert: Eine Ausbildung im Handwerk sei nach wie vor das Fundament für eine sichere berufliche Zukunft.

Allerdings ist Handwerk nicht gleich Handwerk: Während laut Kistenfeger Ausbildungsberufe wie Kfz-Mechatroniker oder Maler und Lackierer bekannt und auch beliebt seien, gebe es in anderen Bereichen, wie eben beispielsweise beim Klempner, nicht zuletzt deshalb Nachwuchssorgen, weil viele junge Leute den Beruf und die damit verbundenen Tätigkeiten schlichtweg nicht kennen. Zudem komme noch hinzu, dass in einigen Sparten (auch beim Klempner) gewisse körperliche Anforderungen erfüllt werden müssten, da beispielsweise auf dem Dach gearbeitet werde.

Zum ersten September waren in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer noch rund 300 freie Stellen in der Region gelistet. Was die Stadt Stuttgart betrifft, werden die genauen Zahlen erst am Jahresende ermittelt. Eines ist Thomas Hoefling in diesem Zusammenhang besonders wichtig: „Der Einstieg in die Ausbildung kann auch im Herbst erfolgen – es gibt keine Schlussfrist für den Beginn.“ Wenn sich beide Seiten einig seien, könne ein Ausbildungsverhältnis auch deutlich nach dem 1. September starten. Das bestätigt auch Hanna Schaaf. Wichtig sei, dass der Wille und das Engagement der jungen Leute stimmen. Und natürlich auch das Zeugnis. So schaue sie bei potenziellen Zimmerleuten gerne auf die Mathematik-Note – schließlich müssten im Laufe der Ausbildung statische Berechnungen vorgenommen werden.

Ein Praktikum wird stets empfohlen

Ganz besonders empfohlen für Lehrstellensuchende werden Praktika. „Es gibt einige Bewerber, die haben falsche Vorstellungen“, sagt Schaaf. Hier zeige die Praxis am besten, was wirklich erwartet und gefordert werde – und ob man Freude an der Tätigkeit habe. Die nicht selten artikulierte Meinung, dass das Niveau der Bewerber im Vergleich zu früher eher abnehme, kann Schaaf nicht bestätigen: „Die Qualität hat sich nicht signifikant geändert.“ Mittlerweile werde immer mehr digital kommuniziert, typische Fehler in diesem Bereich seien unter anderem Mails ohne Anschreiben, die kommentarlos verschickt würden. Auch die Handwerkskammer setzt immer mehr auf digitale Angebote: Virtuelle Ausbildungsmessen, Speed-Datings oder ein Lehrstellenradar sollen bei der Berufswahl helfen.

Wegen der Coronapandemie mussten Praktikumsangebote oder Werbeaktionen an Schulen einige Zeit komplett entfallen. So konnte in Zuffenhausen die Bildungspartnerschaft mit der Park-Realschule erst später gestartet werden. „Wir möchten aktiv auf das Handwerk aufmerksam machen“, sagt Schaaf. Den jungen Leuten solle vermittelt werden, dass Handwerksberufe wichtig für die Gesellschaft seien und gute Entwicklungsmöglichkeiten böten. Ein gute Hilfe ist für sie dabei die gemeinnützige Initiative „Joblinge“, bei der sich Wirtschaft, Staat und Privatpersonen engagieren, um junge Menschen mit schwierigen Startbedingungen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen.

Nicht nur relativ unbekannte Berufe, sondern auch Bäcker oder Fleischer haben Nachwuchssorgen. Sehr gut sieht es in der Region laut Kistenfeger hingegen bei Kfz-Mechatronikern, Anlagentechnikern sowie in den Bereichen Sanitär oder Elektronik aus. Manchmal habe die Entwicklung freilich nicht mit den einzelnen Sparten zu tun, sondern mit der Konjunktur: So habe der Bauboom dafür gesorgt, dass heuer 16 Prozent mehr Ausbildungsverträge bei den Maurern abgeschlossen wurden.