Yoshihiko Usuki ist ein Meister seines Fachs. Sein Beruf: das Schleifen und Polieren japanischer Schwerter. Obwohl manche der edlen Teile den Gegenwert eines Appartements haben, müssen die Auszubildenden des Meisters in den ersten Jahren ohne Lohn auskommen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Tokio - Mehr Entschleunigung geht nicht. Yoshihiko Usuki sitzt auf dem Boden, hält ein Schwert in der einen Hand und einen spitzen Eisenstift in der anderen. Ruhig und gleichmäßig fährt die Hand mit dem Stift über die Klinge der Waffe, immer wieder. Mitten in Tokio tobt das Leben, hasten Menschen über Zebrastreifen, drängen in U-Bahnen, verstopfen die Straßen. Usuki sitzt im Schneidersitz im ersten Stock seines Hauses. Ruhig.

 

Boden und Wände sind aus Holz, im Regal stehen zwei Vasen. Langsam und gleichmäßig gleitet seine Hand über das Schwert. Das Geräusch dabei klingt rhythmisch, wie ein Herzschlag. „Zumindest, wenn man es richtig macht“, sagt Yoshihiko Usuki und lacht. Natürlich macht er es richtig. Niemand in Japan kann dem Meister das Wasser reichen. Seit mehr als 40 Jahren ist das Schleifen und Polieren sein Beruf.

Ein mal Polieren kostet 3000 Euro

Wahrscheinlich gibt es nur wenige Menschen, die Yoshihiko Usuki bei Schwertern etwas vormachen können. Waffenhistoriker ist der Polierer praktisch im Nebenberuf, kennt die Geschichte der japanischen Schwertschmiedekunst, die auf der koreanischen Halbinsel ihren Ursprung hatte, und weiß, dass die ersten Schwerter nicht als Waffe dienten, sondern als Symbol für ziemlich mächtige Männer. Heute sind es vorwiegend ziemlich reiche Sammler, die ihre Schwerter bei Usuki deponieren. Ein Mal Schleifen und Polieren ist für rund 3000 Euro zu haben. Gut Ding will dabei Weile haben; rund zwei Wochen arbeitet der Meister an einem Teil, bis es den eigenen Qualitätsansprüchen genügt und wieder abgeholt werden kann.

Tada Yoshinori sitzt in der Ecke des Raums auf dem Boden, hört von den Preisen seines Meisters und verzieht keine Miene. Seit mehr als einem Jahr geht der junge Mann bei Usuki in die Lehre. Um im teuren Tokio seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitet er nachts in einem kleinen Supermarkt um die Ecke, denn Geld bekommt Yoshinori in seiner Lehre nicht. Noch nicht. Mitlehrling Kamiyama Yoshie erhält ein kleines Salär, sie öffnet die Schiebetür zum holzvertäfelten Arbeitsraum allerdings auch schon seit acht Jahren. Etwa ein Jahrzehnt dauere die Ausbildung, sagt Usuki, schaut kurz über den Rand seiner Brille, lächelt, und widmet sich wieder dem Rhythmus des Polierens. Der Meister hat fünf Lehrlinge, drei davon sind Frauen.

Auch Angela Merkel hat die Kunst des Meisters bewundert

Auf dem Boden stehen acht verschiedene Steine. Zum Schleifen und Schärfen reichen drei, sagt der Meister, und befeuchtet den ersten mit Wasser aus dem Holzbottich. Über die anderen Steine werde das Schwert gerieben, um den Glanz zu verstärken. Etwa ein Dutzend Meister sind in der Vereinigung der Schwertschleifer Japans eingeschrieben. Angst, dass Ihnen die Arbeit ausgeht, haben sie nicht. Fast jeder Schrein im Land beherbergt auch ein Schwert, der Tradition zufolge wird das alle 20 Jahre wieder aufgepeppt. Yoshihiko Usuki ist so etwas wie der offizielle Polierer des Ise-Schreins, eines der größten Heiligtümer Japans. Beim G-7-Gipfel in diesem Sommer hat auch Angela Merkel die Polierkunst des Meisters bestaunen können.

Mit Hingabe kann Usuki über Schwerter reden, über Schmiedetechniken, Abkühlphasen und Wellenformen in der Klinge. Seine Augen leuchten, wenn er von einer Waffe aus Kyoto erzählt, die er einst in den Händen hatte. „So vollkommen“ sei sie gewesen. Um dem etwa 100 Jahre alten Schwert, das er gerade präpariert, ein wenig in diese Richtung zu verhelfen, holt Usuki eine kleine Schachtel mit einem Pulver hervor. Es enthält die Innereien der roten Waldameise. Sie wurde auf sumpfblättrigem Liguster eingefangen, hatte den öligen Teil der Pflanze verspeist und ist nun selbst Schmierstofflieferant. Kein ganz billiges Poliermittel, aber günstig sind die Schwerter ja nun auch nicht gerade. Die Schwerter, die durch die Hände des Meisters gehen, haben einen Gegenwert, für den man schon ein kleines Apartment kaufen könnte, selbst in Tokio. Manchmal sogar ein großes. Neulich habe er eine Waffe poliert, die auf rund eine Million Euro geschätzt wird, sagt Usuki und lacht: „Der Preis fürs Polieren ist aber immer der gleiche“.

Manch ein Schwert hat den Wert eines kleinen Appartements

Ganz nebenbei, glaubt Usuki, ist sein Beruf zudem ein guter Indikator für die japanische Wirtschaft. Vor ein paar Jahren, als die Asienkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, seien die Aufträge deutlich zurückgegangen. Auf die Frage, wie lange ein Kunde heute warten muss, bis er an der Reihe ist, gibt der Meister keine Antwort. Stattdessen öffnet er eine Schiebetür und den dahinter verborgenen Safe. Zumindest dem Usuki-Schwertindex zufolge muss man sich um Japans Wirtschaft also keine Sorgen machen.