Ein Verbot von Mobiltelefonen und Smartphones auf dem Schulgelände gefällt vor allem jüngeren Schülern nicht. Auch die Elternschaft ist gespalten – Warum ältere Jugendliche positive Erfahrungen ohne Handy machen und das Verbot für Lehrer nicht gilt.

Stuttgart - „Erst hatte ich den Vibrationsalarm noch angelassen – da war es schon schwer, nicht dran zu gehen“, sagt Lennart Babel. Der Zehntklässler ist Schülersprecher am Vaihinger Hegel-Gymnasium und begrüßt, dass dort allen Schülern die Benutzung des Handys auf dem kompletten Schulgelände untersagt ist. Seit 4. November 2013 greift dieser Beschluss. Er sei mehrheitlich gefasst worden. Darauf legt die Schulleiterin Barbara Graf großen Wert. „Davor gab’s Riesendebatten.“ Schon bei der ersten Ankündigung, so Graf, „kam großer Beifall von der Kursstufe“. In der Mittelstufe sei die Sympathie geringer. Die Elise-von-König-Schule in Münster hingegen nahm ihr Handyverbot inzwischen wieder zurück.

 

Ja, was denn nun? Lennart Babel ist zufrieden – und erstaunt zugleich. „Die Schüler der Klassenstufen sechs bis acht waren nur noch am Handy und guckten auf ihre Smartphones – das war einfach nervig. Man konnte mit den Leuten nicht sprechen in den Pausen“, berichtet der Gymnasiast. Und er räumt ein: „Bei dem Handyverbot war ich mir nicht sicher, ob man das so durchsetzen kann.“ Doch es funktioniere. „Man merkt den Unterschied so krass“, sagt Lennart Babel. „Die Schüler reden jetzt wieder miteinander.“

Kein einziger Eintrag ins Klassenbuch

Das fiel auch Barbara Graf auf: „Wir sind völlig beeindruckt, wie das umgesetzt wird – der Unterschied ist unglaublich.“ Und, was keiner erwartet habe: „Es gibt bisher keine einzige Sanktion.“ Die Schulkonferenz des Hegel-Gymnasiums hatte beschlossen, dass Jugendliche, die ihre Geräte nicht ausgeschaltet oder verstaut haben, einen Eintrag ins Tagebuch erhalten. Vor Prüfungen müssen die Teile beim Lehrer abgegeben werden. Wenn jemand trotzdem mit Handy erwischt wird, gilt dies als Täuschungsversuch. Störsender setze die Schule aber nicht ein, so Graf. Denn das Handyverbot gelte nicht für Lehrer – aus gutem Grund. Sie müssen im Amokfall erreichbar sein.

Mit dem Verbot für Schüler wurde eine Art Notbremse gezogen. „Die waren in den Pausen damit beschäftigt, neue Nachrichten für den aktuellen Shitstorm zu schreiben“, berichtet Graf. Die Beleidigungswellen richteten sich auch gegen Mitschüler. „Und dann mussten wir viel Zeit investieren, um die Folgen wieder in den Griff zu bekommen.“ Doch auch ohne diesen Aspekt sei ein angeschaltetes Smartphone beim Lernen hinderlich, räumt Lennart Babel ein. „Es lenkt einen ab.“ Inzwischen habe er sein Nutzerverhalten geändert: „Ich schalte es im Unterricht einfach ab.“ Komplett auf sein Samsung Galaxy zu verzichten kommt für den Zehntklässler aber nicht in Frage: „Ich benutze es viel zum Chatten, in Facebook und Whatsapp, und ich recherchiere im Internet: Es ist schnell, und ich hab’s immer dabei.“ Die Flatrate bezahlen seine Eltern.

Ist das Smartphone ein Statussymbol? „Nein“, behauptet Lennart Babel, „bei uns nicht“. Damit meint der Zehntklässler seine Altersgruppe. Sein kleiner Bruder aus der fünften Klasse habe sich aber beschwert, dass er nur ein Tastenhandy habe und bei Whatsapp nicht mitmachen könne.

Bei den Kleinen wird das Handy zum Angeben genutzt

Auch Laura Maric, Klassensprecherin der Klasse zehn in der Elise-von-König-Schule, ist überzeugt: „Klar, bei den Kleinen ist das ein Angeberfaktor, die Fünft- und Sechstklässler laufen alle schon mit i-Phones oder mit Samsung S 3 oder S 4 rum.“ Doch auch in ihrer Klasse haben alle Smartphones. Dabei meint Laura, die selbst ein i-Phone besitzt: „In der Schule braucht man es ja eigentlich nicht.“ Eigentlich. Die Realität sei aber: „In der Pause benutzen wir es, um Musik zu hören oder um uns mit anderen Schülern auszutauschen, wie es grad in der Schule läuft.“ Anrufen? Das käme Laura nicht in den Sinn: „Wenn, dann schreiben wir schon.“

Dass sie und ihre Kameraden aus der Gemeinschaftsschule das Handy in der großen und der Mittagspause wieder benutzen dürfen, gehe auf einen Schülerwunsch zurück, berichtet die Schulleiterin Renate Schlüter. Es habe auch einen Vorteil: „Seit wir das erlauben, können wir offener damit umgehen. Wir gucken den Schülern auch mal über die Schulter und sprechen mit ihnen darüber.“ Im Unterricht gebe es aber kein Pardon: „Wenn wir das sehen, wird es einkassiert“, versichert Schlüter.

Wer am Handy sitzt, bewegt sich zu wenig

Dennoch werde die Schule die Nutzung zumindest in der großen Pause wieder einschränken, so Schlüter. Der Grund: „Viele gehen gar nicht mehr raus, sondern machen Spiele – die Kinder sollen aber rausgehen.“ Für einen vernünftigen Umgang mit dem Smartphone sieht Schlüter die Eltern in der Pflicht: „Ich gehe davon aus, dass Eltern, wenn sie den Kindern so einen Apparat kaufen, auch mit ihnen besprechen, auf was sie achten müssen.“ Eigentlich, meint die Schulleiterin, „müssten Eltern nicht zwingend ein Handy mit in die Schule geben“, das sei doch „eine verlängerte Nabelschnur“.

Das sehen jene oft ganz anders. „Viele Eltern wollen ihre Kinder immer erreichen – das ist ein Problem“, berichtet Fred Binder, Leiter der Robert-Koch-Realschule in Vaihingen. Dort ist auf dem ganzen Schulgelände Handyverbot. Wer erwischt wird, muss das geliebte Teil abgeben. „Bei uns hat der Elternbeirat entschieden, dass es von den Eltern abgeholt wird“, so Binder. Das komme einmal pro Woche vor.

Im Stuttgarter Gesamtelternbeirat werde das sehr kontrovers diskutiert, sagt dessen Vorsitzende Sabine Wassmer. Sie persönlich finde „diese Allzeit-Erreichbarkeit schwierig“. Sie räumt aber ein: „Man muss sich auch als Eltern am Riemen reißen.“ Denn die elektronische Nabelschnur führe in beide Richtungen: „Man kann als Eltern alles kontrollieren – und das hält die Kinder unselbstständig.“ Zudem finde sie es „bedenklich, wenn die reale Kommunikation ersetzt wird durch Whats-app.“ Und wenn die Kommunikation auf Kindergartenniveau abrutsche. Aber Wassmer gibt auch zu: „Die Eltern haben selber eine Vorbildfunktion.“ Sie wünsche sich: „Es sollte ein Schulfach geben, in dem man drüber nachdenkt: Wie verändern Medien unsere Welt.“