Das Schorndorfer Läuferpaar Hanna Klein und Marcel Fehr fiebert nicht nur den Rennen bei der Leichtathletik-EM in Berlin entgegen. Die beiden haben große Ziele.

Berlin - Nur ein paar Tage noch, dann beginnt das große Abenteuer. Vier Wochen Kanada. Am 15. August geht’s los, erst Toronto, Montreal und Calgary, dann mit Mietwagen und Zelt in die Nationalparks, campen, angeln, Bären schauen. „Es ist unsere erste große gemeinsame Reise, wir freuen uns riesig“, sagt Marcel Fehr über den Sommerurlaub mit seiner Freundin Hanna Klein.

 

Ein anderes Abenteuer hat für das Läuferpaar der SG Schorndorf 1846 schon jetzt begonnen: die Heim-EM der Leichtathleten in Berlin, die ersten großen internationalen Meisterschaften, an denen sie gemeinsam teilnehmen. Noch sind die beiden in der Sportschule Kienbaum vor den Toren der Hauptstadt. Ihre Rennen sind erst Ende der Woche. Klein startet über 1500 Meter, Fehr über 5000. Die Aufregung aber steigt von Tag zu Tag.

Hanna Klein (25), Masterstudentin der Psychologie, und Marcel Fehr (26), Masterstudent im Fach Management, haben sich vor sechs Jahren bei der U-20-EM in Tallinn (Estland) kennengelernt. Ein Jahr später wurden sie ein Paar. Klein verließ ihre pfälzische Heimat, begann in Stuttgart zu studieren und schloss sich Fehrs Schorndorfer Trainingsgruppe an. Unter Anleitung von Trainer Uwe Schneider ging es für beide Läufer erst einmal stetig bergauf.

Feher wurde vor wenigen Monate aus dem Kader geworfen

Im vergangenen Jahr aber trennten sich die Wege – örtlich und sportlich. Klein setzte ihr Studium in Köln fort und kehrt seither nur alle zwei Wochen nach Schorndorf zurück. Fehr war nur Zuschauer, als seine Freundin bei der WM in London völlig überraschend das 1500-Meter-Finale erreichte. Gold gewann sie anschließend bei der Universiade in Taipeh – Fehr hingegen erlebte am Jahresende den bittersten Moment seiner Karriere. Mangels Perspektive wurde er aus dem DLV-Bundeskader geworfen, obwohl seine beste Saison hinter ihm lag. „Es war ein Schlag ins Gesicht.“

Fehr und sein Trainer protestierten heftig, doch es half nichts. Während Hanna Klein auch weiter in den Genuss der Förderung kam und in DLV-Trainingslager reiste, blieb ihrem Freund nichts anderes übrig, als auf eigene Faust um die EM-Nominierung zu kämpfen. Das habe ihn „nur noch mehr motiviert“, sagt er, auch wenn er beim Trainingscamp in der Jugendherberge von Breisach abstieg.

Fehr schaffte es dennoch, einen der drei deutschen Startplätze zu bekommen. Beim Meeting in Tübingen knackte er im Juni ebenso die EM-Norm wie seine Freundin. Nicht nur deshalb hat Fehr seinen Frieden mit dem DLV gemacht. Auch als Nicht-Kaderathlet sei er von Thomas Dreißigacker, dem leitenden Bundestrainer Lauf, nicht fallengelassen worden: „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich gegenüber den anderen Athleten im Nachteil bin.“

Drei Tage vor der Nominierung allerdings musste er einen weiteren Tiefschlag hinnehmen. Groß wie nie war in Nürnberg die Chance, erstmals deutscher Meister zu werden. Richard Ringer, mit Abstand bester DLV-Athlet über 5000 Meter, fehlte, das Tempo war langsam, alles schien angerichtet. Doch Fehr verlor die Nerven, zog auf der letzten Runde zu früh an – und wurde auf der Zielgeraden auf Platz fünf durchgereicht. Während er japsend im Ziel lag, wurde Hanna Klein am anderen Ende des Stadions die Goldmedaille umgehängt. Über 5000 Meter hatte sie ihren ersten Meistertitel gewonnen. „So dicht liegen im Sport manchmal Jubel und Enttäuschung beisammen“, sagte Trainer Schneider.

Olympia 2020 ist für beide das große Ziel

Jetzt also die Heim-EM in Berlin. Eine Medaille dürfte für beide Athleten ein Traum bleiben. Hanna Klein liegt mit einer 1500-Meter-Saisonbestzeit von 4:06,46 Minuten nur auf Platz 21 in Europa. Marcel Fehr belegt mit 13:27,38 Minuten über 5000 Meter Rang 30 – und macht sich keine Illusionen: „Es müssten 25 Mann kurzfristig absagen, wenn ich aufs Treppchen will.“ Sein Ziel bestehe darin, „zumindest ein paar Läufer einzusammeln“. Doch selbst wenn er abgeschlagen ins Ziel kommen sollte – „es ist der bisher größte Erfolg meiner Karriere, dass ich überhaupt dabei bin“.

Der letzte soll es nicht bleiben – Olympia 2020 ist für beide das große Ziel. Nächstes Jahr werden sie ihr Studium abschließen und sich danach ganz auf Tokio konzentrieren. Und die privaten Zukunftspläne? „In der Reihe verliebt, verlobt, verheiratet sind wir noch bei verliebt“, sagt Marcel Fehr. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja in den kanadischen Wäldern die Gelegenheit für den nächsten Schritt.