Alchemie trifft auf moderne Wissenschaft bei Hannah Zengers Kunst. So will die Bildhauerin ihr Publikum zu einem wacheren Blick auf die Umwelt anregen.

Eine goldgelbe Flüssigkeit blubbert im Glaskolben. Bei Hannah Zenger trifft Alchemie auf moderne Wissenschaft. Schließlich verfolgt die Künstlerin ein großes Ziel: die Erdzeituhr zurück auf Anfang drehen.

 

„Transformationen“ heißt eine der Arbeiten im Stuttgarter Kunstmuseum, wo die 1988 Geborene im Rahmen der „Frischzellen“-Reihe gastiert. Den Ausgangspunkt bilden Wacholderbeeren, Moose oder andere Pflanzenreste, die getrocknet, destilliert und schließlich bei hohen Temperaturen verbrannt werden. Am Ende bleibt das übrig, was schon da war, bevor das Leben begann: anorganische Masse. „Ich möchte zu einem wacheren Blick auf die Umwelt anregen“, beschreibt Zenger ihren Ansatz. Abgefüllt in Glasröhrchen, stehen die mineralischen Grundstoffe des Lebens an der Wand. „Aus ein und derselben Pflanze“, sagt die Künstlerin, „erhält man je nach Landschaft vollkommen unterschiedlich gefärbte Substanzen.“

Die Architektin schätzt die Qualitäten von Stampflehm

Dinge, die sich aus dem Boden herausholen lassen, faszinieren Zenger auch in anderem Zusammenhang. Besonders schätzt die studierte Architektin die Qualitäten von Stampflehm: „Er besitzt dieselbe Tragkraft wie Beton.“ Um aufzuzeigen, wie gut sich das ressourcenschonende Material zum Bauen eignet, entstand „Pisé“. Scheiben aus Stampflehm türmen sich in der gleichnamigen Installation zu raumgreifenden Säulenfragmenten von antikischer Schönheit. „Als Bildhauerin“, betont Zenger, „will ich auch ästhetische Aspekte einbringen.“

Tatsächlich bleibt die Schau „Frischzelle_28: Hannah Zenger“ nicht als konzeptuelle Feldforschung im Gedächtnis haften, sondern als kurzweilige Bilderreise zwischen Mikro- und Makrokosmos. Vor allem gilt das für eine Serie von Hinterglasbildern, in der unterschiedliche Erdproben zum Einsatz kommen. Fein wie Puder breiten sich Farbflächen von Ocker über Orange bis Tiefrot an der Wand aus. Dabei erinnern die ausfransenden Konturen an Satellitenfotos von Flüssen, die Sedimente ins Meer tragen. Das ist selten: ein Blick aus dem Weltall zum Preis eines Museumstickets!

Frischzelle_28: Hannah Zenger. Kunstmuseum Stuttgart, bis 9. Oktober, Di bis So 10–18 Uhr, Fr 10–21 Uhr.