Bis kurz vor ihrem Ende stand Hannelore Elsner, von Krankheit schon gezeichnet, vor der Kamera. Die ARD zeigt nun ihren finalen Film „Lang lebe die Königin“. Elsner spielt darin eine bis zum letzten Tag kratzbürstig selbstbestimmte Sterbende.

Stuttgart - Sie sei „ein Miststück“, aber eben auch „für die Liebe geschaffen“. Das sagt der Mann (Günther Maria Halmer), der sie nicht ganz verzweiflungsfrei liebt, über Rose Just. Nicht zum ersten Mal spielt Hannelore Elsner in „Lang lebe die Königin“ eine ziemlich schwierige Person. Aber sie hat es da zum letzten Mal getan. Die Dreharbeiten dieses Films, den die ARD nun ausstrahlt, konnte die schwer kranke Schauspielerin schon nicht mehr ganz zu Ende bringen. Am 21. April 2019 ist sie im Alter von 76 Jahren in München gestorben.

 

Heitere Momente

In „Lang lebe die Königin“ geht es um eine Mutter-Tochter-Beziehung. Rose Just ist ein so royal auf die eigenen Interessen und Launen fixierter Mensch, dass man sie nur hassen oder vor ihr in die Knie gehen kann. Ihre Tochter Nina (Marlene Morreis) hat davon einiges geerbt, aber nicht die ganze Grandezza der Frau Mama, nicht die elegante Selbstverständlichkeit der Launendurchsetzung. Nina wirkt ein bisschen gröber und patziger, hinter dieser Fassade aber auch ein wenig unsicherer als ihre Frau Mama. Zwischen den beiden Frauen, wen wundert’s, kracht es regelmäßig.

Im Drehbuch von Gerlinde Wolf („Adel dich“, „Der Kaktus“) ist also viel Stoff für eine Komödie beisammen. Tatsächlich gibt es auch ein paar sehr ulkige Szenen. Nina Just arbeitet nämlich als Moderatorin bei einem dieser Homeshopping-Sender, die rund um die Uhr exklusive, einmalige, weltsensationelle Produkte von meist schriller Überflüssigkeit mit den begrenzten Möglichkeiten eines kleinen TV-Studios unwiderstehlich präsentieren müssen. Ein bisschen Spott über die arme und kulturauftragslose Verwandtschaft kann man dieser Produktion des Bayerischen Rundfunks durchaus bescheinigen – und vergnügt nachsehen.

Der Weg zum Sterben

Im Kern aber geht es weder um den Sinn mancher Arbeit noch ums Generationengekabbel, sondern ums Abschiednehmen, um eine traurige Geschichte. Rose Just hat schon einmal eine Tumorerkrankung überwinden können. Damals wurde ihr eine Niere entfernt. Nun ist der Krebs wieder da und hat die andere Niere befallen. Anfangs wird noch mit Zank und Geläster die Frage verhandelt, wer Rose ein Organ spenden soll. Aber bald wird klar, dass es diesmal nicht gut ausgeht. Der Film greift vor, verrät, dass Rose sterben wird, und zeigt dann den Weg dorthin.

Die sterbenskranke Hannelore Elsner bleibt hier, so lange es nur geht, vor der Kamera, und spielt eine dahinschwindende Frau, die ebenfalls nicht klein beigeben möchte, die so lange wie möglich ein nicht nur noch an die Bedürfnisse der Krankheit angepasstes Leben führen will – und danach ihren Tod selbst bestimmen.

Fiktion und Leben

Der Wirkung dieses Verschwimmens aller Grenzen zwischen Fiktion und Leben, zwischen Schauspielerin und Rolle kann man sich kaum entziehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sieht man nicht mehr der erfundenen Rose Just zu, sondern der echten Hannelore Elsner, die einem auf den letzten Metern des Lebens erzählt, wie sie sich den Abschied wünscht. Das könnte vielleicht auch ganz unangenehm bedrängend werden, eine im Rahmen abendlicher Fernsehunterhaltung unerwünscht intensive Intimität herstellen. Aber Elsners auf Wer-ist-schon-der-Tod-Keckheit setzendes Spiel und die Regie von Richard Huber verhindern das Aufkommen von Düsternis.

Die Traurigkeit hier ist eine mit Luft unter den Flügeln, der Schmerz des Abschieds geht einher mit dem Stolz auf die Würde, die man dem Unvermeidlichen durch Trotz und Humor doch noch geben kann. Wobei „Lang lebe die Königin“ in keinem Moment so tut, als sei das ein wiederverwendbares Rezept, als sei es jedem in die Hände gegeben, so über sein Ende zu verfügen. Roses letzte Partie gegen den Tod wird als Mischung aus spezifischem Charakter, passendem sozialem Umfeld und einem Quantum Glück deutlich.

Ein ungewöhnlicher Schritt

Als Hannelore Elsner die Arbeiten an dem Film abbrechen musste, war zwar schon viel gedreht. Aber ganz verzichten konnte man auf die fehlenden Szenen nicht. Statt das Projekt als großes Trümmerstück, also letztlich als Versicherungsfall abzuschreiben, entschlossen die Produzenten sich zu einem ungewöhnlichen Schritt. Sie baten fünf Kolleginnen Elsners, für jeweils einen Drehtag die Rolle von Rose Just zu übernehmen. Und so greifen nun mal Gisela Schneeberger, mal Hannelore Hoger, mal Iris Berben, mal Judy Winter und mal Eva Mattes den Faden wieder auf.

Wüsste man nichts von der Produktionsgeschichte von „Lang lebe die Königin“, wäre das Zuschauen wohl eine ziemlich surreale Erfahrung. So aber erkennt man sofort den Vorteil, den diese Aufsplitterung der Rolle gegenüber der Verpflichtung einer einzelnen, womöglich auf größtmögliche Ähnlichkeit geschminkten Ersatzschauspielerin hat. Das eine hätte von problemloser Ersetzbarkeit erzählt. Die jetzige Methode betont als Kette von Anläufen die Unersetzbarkeit.

Ausstrahlung: ARD, 29. April 2020, 20.15 Uhr