Vor vollem Haus bekommt Gabriela Oberkofler im Galerieverein den Hannes-Burgdorf-Preis.

Leonberg - Nur kurz wird das allgegenwärtige Pochen des Herzschlags im Galerieverein etwas leiser: Als am Sonntagmorgen die Reden zur Vernissage der Ausstellung „Damascina Rose“ von Gabriele Oberkofler und die damit verbundene Verleihung des Hannes-Burgdorf-Preises für zeitgenössische bildende Kunst gehalten werden. Es sind einige an diesem Vormittag. Nach der Begrüßung durch Eva Ott, der Vorsitzenden des Galerievereins, führt Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart, in Oberkoflers Werk ein. Hannes Burgdorf überreicht dann mit herzlichen Worten Urkunde und Scheck an die Künstlerin, und auch Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) lässt es sich nicht nehmen, vor den dicht gedrängt stehenden Vernissage-Gästen dem Stifter des Preises, dem Galerieverein und der Künstlerin seine Wertschätzung auszusprechen.

 

Der Herzschlag, der also für kurze Zeit akustisch in den Hintergrund rückt, ist ein Teil dessen, was die Laudatorin als Oberkoflers „wunderbaren Blick für installatives Arbeiten“ hervorhebt. Denn tatsächlich hängen nicht nur an den Wänden deren faszinierende Arbeiten auf Papier, die Pflanzen und Gewächse bis auf ihre feinsten Strukturen aufbrechen und wieder neu zusammenfügen. Sie sind nur ein Teil des Ganzen. Die Seele der Kunstwerke, welche die Besucher fast unmerklich und ganz behutsam umfängt, findet den Weg in die Wahrnehmung der Menschen auf ganz verschiedene Weise.

Lesen Sie hier: Filigrane, zarte Linien auf weißem Papier

Achtsam sein und Dinge mit Liebe betrachten

Da ist die Faszination der unendlich fein gewobenen und nuancierten vegetabilen Strukturen auf den gerahmten kleinen und großformatigen Blättern. Da sind aber auch die im Raum aufragenden Schnitzereien, die einzelne Bestandteile von Tierkörpern nachbilden. Und da sind die Video-Installationen. Fragil und zur vorsichtigen Annäherung mahnend liegt ein Teppich aus getrockneten Blüten am Boden, dessen Ornamente dem malerischen Entwurf für einen orientalischen Gebetsteppich nachempfunden sind. Er stammt von Duaa Faour, der Tochter der Besitzerin des Blumenladens Damascina Rose in Berlin-Schöneberg. Hier bekommt Gabriele Oberkofler die Blumen, die nicht verkauft werden konnten und mit denen sie arbeitet.

Auch die in Leonberg von Brigitte Guggenbiller und Renate Guethle gelegten Blüten, Blätter und Stängel stammen von dort. Ein unbedachter Schritt, eine zu schwungvolle Annäherung – und das ephemere Gebilde hört in dieser Forum auf zu sein. Ganz besonders deutlich passt hier, was Lange als eine große Stärke der Künstlerin hervorhebt: Zu vermitteln, warum es sinnvoll ist, achtsam zu sein und die Dinge mit Liebe zu betrachten.

Beständig und unerbitterlich wie der Herzschlag

Genau das ist es, was Gabriela Oberkofler auf immer wieder andere Weise aufgreift und in eine künstlerische Ausdrucksform überführt: der stetige Prozess von Werden, Schönheit und Vergehen. Immer wieder rieseln auf ihrer Videoarbeit „Es fällt/cade“ Pflanzenteile und Insektenkörper in ruhigem Fluss scheinbar unaufhaltsam von oben nach unten, wobei die Insekten nach und nach zerfallen – bis sie nach einer gewissen Zeit wieder vollständig am oberen Bildrand erscheinen. Auf den gemalten Exponaten fallen die Blüten ebenfalls nach unten, die Stiele zeigen nach oben.

Das hat einen ganz konkreten Grund – und einen, der darüber hinausgeht. Gabriele Oberkofler spricht von der Melancholie, die ihren Werken innewohnt. Denn die Blumen, die sie zum Trocknen kopfüber aufhängt, werden durch diesen Prozess im Moment des Verwelkens noch eine Zeit lang bewahrt. Was vergeht, wird gegenwärtig – in anderer Form, so beständig und unerbittlich wie der Herzschlag. Auch der große schwarze Hund namens Mr. Nobel, der auf der Videoinstallation im Kabinett unten zu sehen ist, trägt diese Botschaft weiter. Er streifte einst durch die Wagenhallen in Stuttgart, wo die gebürtige Südtirolerin Gabriela Oberkofler ihre Alm mitten in Stuttgart gefunden hat. Etwas steif bewegt er sich, würdevoll, wie ein echter Grandseigneur. Mr. Nobel lebt heute nicht mehr. Aber sein Wesen besteht in Oberkoflers Arbeit noch fort.