Die Künstlerin Gabriela Oberkofler erhält am Sonntag im Galerieverein den Hannes-Burgdorf-Preis.

Leonberg - Die Blätter, Pflanzen und Gebilde auf dem weißen Papier bestehen aus unzähligen filigranen Linien und Punkten. Bei näherem Hinsehen stellt der Betrachter fasziniert fest, dass auch die Linien, die sich von unten nach oben schlängeln, eigentlich aus ganz feinen Querlinien bestehen. Die Zeichnungen von Gabriela Oberkofler beeindrucken durch ihre Zartheit. Am Sonntag bekommt die Künstlerin im Leonberger Galerieverein den Hannes-Burgdorf-Preis für ihr Werk überreicht.

 

Von Fleißarbeit bei ihren Arbeiten zu reden, gefällt Oberkofler gar nicht. Die Aufmerksamkeit und die Zuwendung, die sie da hineinstecke, das sei ihre Botschaft, betont sie. Und wenn man sich mit der gebürtigen Bozenerin unterhält, erfährt man, dass eine ganz besondere Philosophie hinter ihrer Arbeit und ihren Werken steckt. Sehr gut verdeutlicht dies die Installation auf dem Boden im oberen Stockwerk des Galerievereins – auch wenn sie nicht typisch für ihre Arbeiten ist. Von zwei Bambusstöcken wie ein Bildrahmen umgeben sind dort Blätter und Blüten arrangiert. Bei uns landet das alles nach der Blüte in der Biomüll-Tonne. „Das ist ein Spiel von wertvoll und wertlos. Es ist ein Kreislauf. Der sagt etwas über unsere globalen Strukturen aus. Ich will den Kreislauf unterbrechen“, sagt Oberkofler. Die Künstlerin will den Pflanzen, die für uns einst wertvoll waren und nach der Blüte wertlos sind, einen neuen Wert geben, sie sollen wieder „etwas Wertvolles“ (Oberkofler) sein. Das gelingt ihr mit Akribie und Zuwendung.

Eben diese, ihre Philosophie findet sich in ihren Arbeiten wieder. Für ihre Zeichnungen benutzt sie „ausgediente“ und verwelkte Pflanzen und Blätter als Vorlage. Und so erklärt sich auch der Titel der Ausstellung: „Damascina Rose“. In Berlin hat sie am Abend aus einem Laden mit diesem Namen die Blumen, die nicht verkauft wurden, abgeholt, im Atelier getrocknet und arrangiert. Dabei hat sie beispielsweise auch genau recherchiert, wo die Rosen herkommen. Die Beschäftigung mit einer Pflanze gehört für Oberkofler zur Entstehung ihrer Werke dazu.

„Nesselseide ist ein Vollschmarotzer“

Und man hört ihr gespannt zu, wenn sie von dem Stöckchen und der Nesselseide erzählt. Beiden hat sie eine Zeichnung gewidmet. „Das Stöckchen ist bewachsen mit Flechten. Algen und Pilz gehen hier eine symbiotische Lebensgemeinschaft ein. Das ist auf unsere Gesellschaft übertragbar“, erzählt die heute in Stuttgart lebende Künstlerin. „Die Nesselseide ist ein Vollschmarotzer. Bei ihr findet keine Fotosynthese statt, sie geht aber eine Verbindung mit der Brennnessel ein, weiß Oberkofler. Von ihr „ernährt“ sich die Nesselseide. Diese Entwicklung ist für die Künstlerin übertragbar auf den Menschen, der die Natur ausbeutet.

Nicht nur Zeichnungen und Videos sind in der Ausstellung zu sehen. Da entdeckt man den hölzernen Kopf eines Rehs auf einem Vorsprung, unten ist ein Bein des Tiers zu sehen. Auf der anderen Seite trifft man auf die vier Beine. Von dem Fisch, der ebenfalls aus Holz ist, existieren nur der Kopf, der Schwanz, zwei Flossen. Die Tiere sind zerstückelt, in Bestandteile zerlegt. Die Lücke, der leere Raum spielt in Gabriela Oberkoflers Werken eine große Rolle: „Ich bezeichne das als ‚Denkraum’. Es ist der Raum für die Reflexion über das, was fehlt. Er kann unterschiedlich gefüllt werden.“

Ihre Wurzeln sind in Südtirol

Die große Auseinandersetzung für sie habe während ihres Studiums stattgefunden, erzählt die Künstlerin, die in einem Bergdorf in Südtirol aufgewachsen ist: Es war die Auseinandersetzung mit der Volkskultur. „Jetzt entferne ich mich von meinen Wurzeln, im besten Fall verbindet sich das mit Mitteln aus dem urbanen Bereich“, sagt sie.

Oberkofler geht es immer darum, etwas zurückzugeben. Die Nachhaltigkeit, von der heute so viel gesprochen wird, ist schon immer ihr Thema gewesen. Als Künstlerin arbeitet sie übergreifend: Zeichnungen, Skulpturen, Plastiken, Installationen, Videos – sie beherrscht alles und setzt ihre Philosophie mit verschiedenen künstlerischen Mitteln um. Ihre Zeichnungen sind heute Aquarelle auf Papier. Aber bis dahin sei es eine „ganz lange Entwicklung“ gewesen, wie sie sagt. „Schon früher als Kind habe ich viel mit dem Filzstift gemalt. Er hat eine bestimmte Struktur. Durch unterschiedlichen Druck, durch Übung und durch die Tinte ergibt sich eine Struktur“, erzählt Oberkofler. Wenn sie einem dann dazu ein entsprechendes Bild aus einem ihrer Kataloge zeigt, staunt man, welche Möglichkeiten selbst in einem Filzstift stecken und wie eine Künstlerin wie sie ihn einsetzt.

Vernissage und Preisverleihung

Der Hannes-Burgdorf-Preis wird in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Die Künstlerin Gabriela Oberkofler bekommt den Preis im Galerieverein Leonberg am Sonntag, 19. Januar. Die Ausstellung anlässlich der Preisverleihung öffnet um 11.15 Uhr. Der von dem Unternehmer Hannes Burgdorf gestiftete und gemeinsam mit dem Galerieverein und der Stadt Leonberg ins Leben gerufene Kunstpreis beinhaltet neben dem Preisgeld von 10 000 Euro einen Katalog zur Ausstellung, für den Burgdorf weitere 5000 Euro bereitstellt.