Die Tischtennisplatte vor dem Kottan ist längst ein Treff für Semi-Profis geworden. Der Randsport ist das neue Hobby des modernen Großstadt-Hipsters.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Als Tischtennisspieler hat man es nicht leicht im Leben – selbst wenn man überregionale Erfolge vorweisen kann, man wird immer belächelt. „Tischtennis? Hab ich früher immer im Freibad gespielt!“ Alternativ: „Tischtennis? Ist das Sport?“

 

Die Zeiten sind allerdings vorbei. Inzwischen hat die Wiener Netz- und Kultautorin Stefanie Sargnagel – bekannt durch ihre schnöden, teils derben Facebook-Posts – dazu beigetragen, dass der verhöhnte Nischensport salonfähig geworden ist. Sie bezeichnet Tischtennisspieler als „die Allercoolsten von allen. Die einzig Erhabenen. Loyale, einfühlsame, lebenslustige Kumpeltypen. Scheißen drauf, was andere über sie denken“. Nicht zuletzt seien Tischtennisspieler „die Punks unter den Hobbykellerbesitzern“. Darauf kann man imagemäßig durchaus aufbauen.

Trendspieler punkten mit lustigen bunten Schlägern

Doch auch ohne Sargnagels beherzte Fürsprache für den schnellen Sport mit dem weißen Plastikball hat sich Tischtennis zur liebsten Randsportart des Großstadthipsters entwickelt. Ob mit lustigen bunten Schlägern oder mit semiprofessionellem Spielmaterial – vor allem im Freien wird inzwischen mit Leidenschaft Tischtennis gespielt.

Die ollen Steinplatten, die früher auf Spielplätzen rumstanden, sind dabei längst out. Vielmehr hat jeder gute Gastronom eine Platte vor seiner Tür stehen. Im Tatti’s, im Waranga, am Marienplatz oder im Zwölfzehn – längst wird dort gegeneinander gezockt. Vorreiterin war in Stuttgart Andreja Maros. Vor acht Jahren belebt die Kottan-Chefin mit ihrer Platte den kleinen Platz gegenüber ihrer Kneipe. „Das lockert die ganze Fläche auf“, findet sie. „Die Leute sollen ja nicht nur hier sitzen und was trinken, sondern können nun auch miteinander spielen.“ Und die Platte kommt beim Ausgehvolk gut an. Bei schönem Wetter ist sie bereits ab dem frühen Nachmittag häufig belegt. Längst haben sich feste Gruppen gebildet, die ihre fixen Turnier- und Spieltage haben. „Manche kennen wir natürlich längst“, sagt Maros.

Ihr gefällt, dass Tischtennis ein sehr kommunikativer Sport ist. Die Menschen kämen dabei miteinander ins Gespräch, wenn sie auch mal einen neuen Spielpartner suchen. Material gibt es im Kottan zum Ausleihen. Manche wollen das nicht: „Einige Profizocker haben natürlich ihr eigenes Equipment dabei“, sagt Sven Baum, der im Kottan hinter der Bar steht.

Wenige richtige Profispieler seien zwar dabei, aber der Ehrgeiz ist deswegen nicht kleiner: „Manche betreiben es zumindest sehr professionell“, sagt Baum und lacht. Für die richtigen Profis ist so eine Platte im Freien ja ohnehin nichts: zu windig, zu schief, zu unsauber – da kann man ja nicht richtig spielen. Und womöglich wird das teuer gekaufte, fein auf das eigene Spielsystem abgestimmte Material beschmutzt. Aber die Freizeitsportler lieben es, im Freien gegeneinander zu spielen – ob Einzel, Doppel oder das altbekannte Mäxle. Auf dem Schulpausenhof war dies einst auch als „Rundlauf“ bekannt.

Ein bisschen Tischtennis kann jeder

François Saorine und Tino Bierwirth gehören eher zur Hobbyfraktion der Kottan-Tischtennis-Spieler, sagen sie. Für Laienspieler sehen ihre Ballwechsel aber ganz ansehnlich aus. „Mein Bruder spielt richtig gut, der hat es mir beigebracht“, sagt Bierwirth. Der 28-Jährige arbeitet ebenfalls als Kellner im Kottan. Während seiner Schichten spielt er immer gerne mal eine Viertelstunde. Gerne mit seinem Kollegen Saorine. Der 26-Jährige aus Ludwigsburg ist ebenfalls Autodidakt.

Warum die einstige Randsportart in der Stadt gerade so ein Trend ist? „Keine Ahnung“, sagt Bierwirth. „Aber man kann es halt gut in der Stadt im Freien spielen.“ Man brauche nur zwei Leute dazu – und ein bisschen Tischtennis könne eben doch jeder, von früher aus dem Freibad oder dem Pausenhof halt. Eine lange Halbwertszeit prophezeit er dem großstädtischen Freizeithype allerdings nicht: „In paar Jahren ist das wieder vorbei.“

An dieser Stelle sei deshalb noch einmal Frau Sargnagel zitiert: „Eine Beziehung, in der man gleich gut ist im Tischtennis, sollte man niemals leichtfertig aufgeben.“ Daran sei also erinnert, falls jemand sein neues Trendhobby leichtfertig aufgeben möchte und Tischtennis wieder zur verspotteten Nischensportart werden sollte.