Hans Zimmer komponiert die Musik für viele Hollywoodfilme. Sein neuer Streich "Inception" hat ihn allerdings viel Aufwand gekostet.

Stuttgart - Wenn am Sonntagabend der Oscar für die beste Filmmusik vergeben wird, dann sitzen die meisten amerikanischen Fernsehzuschauer wohl noch beim Abendessen. Die Preise für die beste Hauptrolle oder den besten Film werden erst gegen Mitternacht verliehen, vorher lohnt es sich bestenfalls der Galagarderobe wegen einmal einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Wer der beste Filmkomponist in Hollywood ist, das ist für das Gros des Publikums nicht spannender als der beste Maskenbildner oder der beste Setdesigner.

Die Namen dieser Künstler aus der zweiten Reihe haben nur die Insider der Branche schon einmal gehört. Deshalb kennen auch nur wenige den gebürtigen Frankfurter Hans Zimmer und das, obwohl jeder Schauspieler mit Neid auf seine Oscarerfolgsliste schauen dürfte.

Neunmal wurde Zimmer seit 1989 nominiert, 1994 gewann er die begehrte Trophäe für seine Arbeit am "König der Löwen". Und auch in diesem Jahr ist er wieder für den wichtigsten Preis der Branche vorgeschlagen worden. Diesmal für seine Vertonung von "Inception", Christopher Nolans actionreiche Meditation über den Zusammenhang von Filmen und Träumen.

Zimmer als Meister der Stimmungen


Zimmer ist jetzt seit 25 Jahren in Hollywood, seine Produktionsfirma Remote Control ist die gefragteste im Filmmusiksektor. Zwischen drei und sechs Filmen macht Zimmer pro Jahr. "Die meisten Leute hier in Hollywood", sagt er, "haben Angst vor dem Tag, an dem das Telefon nicht mehr klingelt. Ich kann es kaum erwarten, dass das einmal passiert."

Wahrscheinlich ist das aber nicht. Seit "Inception" hat Zimmer schon wieder zwei Projekte fertiggestellt: Die Komödie "The Dilemma" und der Cartoon "Megamind". Der ehemalige New-Wave-Popper, der einst mit Ultravox und mit David Byrne zusammen gespielt hat, ist eine Marke im Filmbusiness. Zimmer hat mit seiner speziellen Verbindung von orchestralen Tönen und elektronischer Musik einen neuen Standard für Großproduktionen geschaffen.

Vor allem ist er jedoch ein Meister darin, Stimmungen zu schaffen. "Ein Film ohne Musik", sagt Zimmer, "kann keine Gefühle transportieren. Die Musik schreibt einen Subtext; durch sie erst erfährt der Zuschauer, was eine Leinwandfigur empfindet." Damit er diese Emotionen in Musik umsetzen kann, muss Zimmer sich ganz in die Stimmung eines Films versetzen, manchmal monatelang. "Ich tauche da völlig ab", sagt er.

Neues Werk war ein hartes Stück Arbeit


Bei der Arbeit an "Inception" fiel es Zimmer jedoch zunächst schwer, eine Grundstimmung auszumachen. Der Film folgt einem verwirrenden Plot, in dem Träume wirklich werden und die Wirklichkeit zum Albtraum und bei dem der Zuschauer bald den Überblick darüber verliert, in welcher Dimension er sich gerade befindet. Dennoch fand Zimmer einen Ansatzpunkt.

Die Hauptfigur Dom Cobb, gespielt von Leonardo di Caprio ist bei seiner Reise durch die Dimensionen von einer tiefen Traurigkeit beseelt. "Er will uns das immer mitteilen, aber keiner hört zu." Damit der Betrachter es dennoch hört, hat Hans Zimmer die Edith-Piaf-Ballade "Je ne regrette rien" genommen und sie als Leitmotiv unter den Film gelegt, nicht jedoch, ohne sie bisweilen bis zur Unkenntlichkeit zu verfremden.

Dazu hat er den Gitarristen der Smiths Johnny Marr eingeladen, um einen klagenden Grundton für den Streifen zu erzeugen. Und weil ihm das nach der Studioarbeit noch immer alles zu blechern klang, hat er es auf dem Gelände von Remote Control über Außenlautsprecher laufen lassen und noch einmal aufgenommen.

Herausgekommen ist ein Soundtrack, den nicht wenige in der Branche für brillant halten. Anders, als der Film, der bestenfalls gemischte Kritiken erhielt. Dass Zimmer bei den Golden Globes, dem jährlichen Testlauf für die Oscars gegen die Verfilmung der Mark-Zuckerberg-Story "Social Network" verloren hat, wird deshalb auch mehr der mittelmäßigen Regie zugeschrieben als der Musik. "Einen schlechten Film kann auch gute Musik nicht retten", hat Hans Zimmer einmal gesagt. Für die Oscars kann er nun nur hoffen, dass die Jury das eine von dem anderen zu unterscheiden vermag.