Im ARD-Talk am Montag wird über das „vergiftete“ politische Klima und die Gewalt gegen Politiker diskutiert. Nazi-Vorwürfe treffen die AfD – und die keilt zurück.
Ganz selten blitzte in der Talkrunde „Hart aber fair“ am Montagabend mal der Versuch des Brückenbauens auf. Es ging um die Gewalt gegen Politiker, die Verrohung der politischen Debatte und die Frage, ob dadurch die Demokratie gefährdet sei. Den ersten versöhnlichen Akzent zwischen den fünf „bürgerlichen“ Studiogästen und der geladenen Vertreterin der AfD – Beatrix von Storch, die Fraktionsvizechefin im Bundestag - setzte die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Sie ging auf einen tätlichen Angriff ein, den von Storch selbst einmal erlitten hat. „Das war abgrundig. Dass Sie das erleben mussten, das tut mir leid. Gewalt gegen Politiker geht gar nicht, egal gegen wen. Auch nicht gegen Sie,“ sagte die Grüne. Da guckte Frau von Storch dann relativ neutral, hatte sie sich doch zuvor darüber beklagt, es sei „heuchlerisch und niederträchtig“, dass die anderen Parteien immer die Gewalt gegen die Demokraten verurteilten, aber die AfD zu Unrecht als Undemokraten bezeichneten und sie als Gruppe nach Angriffen von Solidaritätsadressen ausnähmen.
Nach dem Mitleid kommt Kritik
Göring-Eckardt setzte nach ihrer Mitleidsbekundung aber gleich eins drauf und erklärte, warum für die AfD für sie keine demokratische Partei sei: Sie sei zwar demokratisch gewählt, versuche aber das demokratische System zu unterminieren, etwa im Rütteln am Grundrecht zur Würde des Menschen, indem die AfD im Parlament ständig Menschen beleidige, nur auf Grund dessen, wie sie sich anziehen, wie sie lieben oder woher sie kommen. In diesem Sinne gab es bei „Hart aber fair“ viele Wortmeldungen, und die aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach die AfD als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden kann, sahen die meisten als Bestätigung.
Aber auch Martin Machowecz, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“, wollte, statt nach der „Schuld für die Diskurslage“ zu suchen, eigentlich lieber über die Probleme des Landes – Migrationskrise, mangelhafte Bahn, Kraftwerksabschaltungen - sprechen, um „die Leute von der AfD zurück zu holen“. Machowecz findet es „nicht smart“, eine Partei mit einem Umfragezuspruch von bis zu 30 Prozent im Osten als „Nazipartei“ zu bezeichnen, wie es der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) getan hat, und der Journalist hält auch wenig von einem Verbotsverfahren. Man könne der AfD politisch „beikommen“, sagt er, sie habe gerade ihr Momentum verloren, die Umfragewerte sänken und die Leute seien angewidert davon, wie die AfD mit Diktaturen „kungelt“ und wie ihre Vertreter sich artikulierten. Also mehr inhaltlich debattieren, anstatt über Stil und Form der Debatte reden?
Gewalt vor allem gegen AfD
Dass eine radikale Wortführung zur Gewalt anstiftet, etwa die Aussage vom AfD-Politiker Alexander Gauland „Wir werden sie jagen“, das wird vermutet. Jedenfalls steigen die Zahlen. 2023 war die Zahl der Angriffe (Gewalt, Drohungen, Beleidigungen) auf Politiker auf 2790 geklettert, Hauptopfer waren Grüne. Schaut man allerdings nur auf die Gewaltdelikte, waren AfD-Vertreter mit 86 Attacken auf sie am stärksten betroffen, gefolgt von den Grünen. Die Gewalt komme überwiegend von links, behauptete die AfD-Frau von Storch, die Gesellschaft sei „polarisiert“, weil Linke und Grüne den gesellschaftlichen Konsens aufgekündigt hätten, etwa, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei oder, dass es nur zwei und nicht 96 Geschlechter gebe.
„Diskurs ist vergiftet und kaputt“
Die anderen Studiogäste sahen dies völlig anders. Die CSU-Politikerin Dorothee Bär konstatierte, dass sich der Ton im Bundestag seit dem Einzug der AfD massiv verschärft habe: „Es gibt keine normalen Debatten mehr. Die AfD-Abgeordneten leben von Hass und Hetze, die wollen gar nicht diskutieren“. Der Diskurs sei vergiftet und kaputt, die AfD sammle Ordnungsrufe und wende sich nur ans Youtube-Publikum. Die AfD hantiere mit Unwahrheiten und Falschbehauptungen, so ergänzte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Ex-Kripobeamte Sebastian Fiedler, und das habe sich gerade wieder nach dem Urteil von Münster gezeigt, wo die Partei sofort von einem „Unrechtsurteil“ und einem politisch gesteuerten Bundesverwaltungsgerichts gesprochen habe: „Das Klima für Mitmachextremisten wird von der AfD erzeugt.“
Wie drastisch ein physischer Angriff von solchen Extremisten wirkt, das schilderte der von Moderator Louis Klamroth interviewte SPD-Politiker Matthias Ecke, der beim Plakatekleben in Dresden von vier Tätern schwer verletzt wurde. Das mache etwa mit einem, so Ecke. Er werte dies als einen Angriff auf die Demokratie. Man erlebe seit Jahren eine Verrohung des politischen Diskurses, der von der AfD und anderen Rechtsextremen vorangetrieben werde und in Gewalt münde. „Wir dürfen die öffentlichen Räume aber nicht preisgeben.“ Während Beatrix von Storch den Angriff auf Ecke klar verurteilte, hatte beispielsweise Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban dies mit dem Zusatz getan, dass die SPD „an der aufgeheizten politischen Stimmung“ mit schuld sei. Dabei hatte selbst der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla jüngst bemerkt, „alle“ müssten verbal mal abrüsten.
Dieses Wort zitierend versuchte Moderator Klamroth zweimal auf plumpe Art und Weise die AfD-Frau von Storch zu einer Entschuldigung gegenüber der neben ihr sitzenden Katrin Göring-Eckardt und Sebastian Fiedler zu bewegen: Dafür, dass von Storch einmal Grünen-Politiker wie Göring-Eckardt als „Klima-Nazis“ und Fiedler als „Nazi“ bezeichnet hatte. Die Angefragte dachte aber gar nicht an eine Entschuldigung, und Klamroths hilflose Bemerkung „ich gebe Ihnen jetzt noch mal die Chance“, perlte an ihr ab wie Wasser am Neoprenanzug. „Wissen Sie“, sagte Beatrix von Storch dem Moderator, die AfD werde eigentlich ständig beleidigt, auch im Bundestag als „Nazis“ und „Terroristen“ beschimpft, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann habe gar von einem Stück „Scheiße“ mit Fliegen, ein CDU-Politiker mal von „giftigem Abschaum“ gesprochen.
„Menschenfeindliches Gedankengut“
Am schärfsten in der Talkrunde setzte sich der Jurist Ulf Buermeyer mit der AfD auseinander: Die Partei vertrete menschenfeindliches Gedankengut, und das richte sich gegen Gruppen, gegen Migranten, Queere, Menschen jüdischer Herkunft und mit schwarzer Hautfarbe. „Aber Menschenfeindlichkeit gehört nicht zum demokratischen Diskurs“, meinte Buermeyer. Er sprach sich zumindest zur Formulierung eines Antrags für ein AfD-Verbot aus, im Gerichtsverfahren von Münster hätten die Verfassungsschützer 2000 Seiten an Beweismaterial dafür geliefert. Beatrix von Storch sagte: „Sie wollen die Demokratie retten, indem Sie die Opposition verbieten. Das ist doch hanebüchen.“