Nach 25 Jahren in Brasilien zog ein 54-Jähriger mit Familie wieder bei seiner Mutter in Marbach ein. Das Jobcenter wollte dem Mann keine Miete bezahlen – zu Recht, wie das Sozialgericht befand.

Heilbronn/Marbach - Mehr als 25 Jahre lang hat er sich in Brasilien durchgeschlagen: als Hundezüchter oder als Bauleiter hat ein heute 54-Jähriger gearbeitet – bis es ihn zurück in die Heimat nach Marbach verschlug. Er hatte keinen Job und keine Wohnung, aber seine Frau und die drei Kinder aus Brasilien mitgebracht. Also zog er im Haus seiner Mutter ein. Das Sozialamt, heute: Jobcenter, sollte die 800 Euro vereinbarte Miete übernehmen. Doch die Behörde weigerte sich. Deshalb klagte der Mann, am Dienstag wurde der Fall beim Sozialgericht in Heilbronn verhandelt.

 

Nach Ansicht des Gerichts hat das Jobcenter völlig untadelig gehandelt. Grundsätzlich gebe es in solchen Fällen bei Mietverträgen mit Familienangehörigen hohe rechtliche Hürden. Zudem habe der Kläger seit etlichen Monaten keine Mieter mehr gezahlt, was den Verdacht auf einen nur zum Schein geschlossenen Mietvertrag erhärte. Beim Versuch, all das zu erklären, habe sich der Angeklagte in „zu vielen Ungereimtheiten“, teilweise sogar Falschaussagen verstrickt, befand der Vorsitzende Richter, Joachim von Berg.

Die Mutter kennt nicht die genaue Höhe der Schulden

Beim Versuch, das Zustandekommen des 800-Euro-Mietvertrags mit der Mutter zu klären, stieß das Gericht bereits auf erste Widersprüche. Die 76-jährige Mutter sagte, sie wisse nicht, wie viel Miete ihr Sohn ihr noch schulde. Auch die Aussage des 54-jährigen Sohnes (und Klägers), dass seine Mutter die Miete brauche, um vier Monate in Tunesien überwintern zu können, war nicht haltbar. Ohne Mieter hätte sie sich das Geld „eben zusammensparen müssen“, sagte die Mutter.

Verwundert war die dreiköpfige Kammer des Sozialgerichts auch darüber, dass im Mietvertrag vermerkt wurde, dass das Haus nach Ablauf des Kontrakts verkauft werden solle – ein Umstand, wovon die Besitzerin nach eigener Aussage gar nichts wusste. Strittig blieb auch die Frage, ob der Kläger nicht eigentlich über genügend Geld verfüge, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. So seien jüngst etwa mehr als 5000 Euro auf seinem Konto gewesen.

Kläger gerät in die Defensive

Auch Buchungen für einen Auslandsflug (nach Brasilien) oder eine Übernachtung in Tschechien sind laut dem Jobcenter Ludwigsburg ein Beleg für diese These. Das brachte den Kläger vor Gericht in die Defensive, denn: laut dem Hartz-IV-Gesetz müssen Menschen, die Sozialleistungen beziehen, selbst ihre Bedürftigkeit nachweisen.

Der Kläger hält diese Punkte für Unterstellungen. Seine Mutter habe ihm 5000 Euro auf ein gemeinsames Konto überwiesen – für Notfälle in Brasilien, wie er darlegte. „Mir war gar nicht klar, ob mir das Geld eigentlich gehört oder nicht“, sagte der 54-Jährige beim Sozialgericht.

Der Vertreter des Jobcenters erklärte vor Gericht: „Wir haben den Eindruck, dass dieser Mietvertrag gar nicht gelebt wird.“ Ein Vorwurf, der die Anwältin des Klägers auf die Palme brachte: „Es klingt hier, als wolle mein Mandant hier nur Bedürftigkeit simulieren, das stimmt einfach nicht.“ Ihr Mandant habe vom Jobcenter nur das gesetzliche Existenzminimum (und Geld für die Nebenkosten) erhalten, Geld für die Miete habe er nie erhalten – „und Sie werfen ihm vor, dass er seine Miete nicht zahlt – das ist paradox“. Sie habe den Eindruck, „dass mein Mandant unter Generalverdacht steht“, so die Anwältin.

Das Gericht zeigte sich davon unbeeindruckt. „Ein richtiges Mietverhältnis sieht anders aus“, befand der Vorsitzende Richter Joachim von Berg. Das Gericht habe der herzkranken, 76-jährigen Mutter eine anstrengende Aussage ersparen wollen. „Ich an Ihrer Stelle hätte nie meine eigene Mutter zur Aussage gezwungen. Die Zeugin hat uns Leid getan.“