Hat die britische Regierung den richtigen Zeitpunkt verschlafen, um die Folgen des Coronavirus abzumildern? Die Kritik an Boris Johnson wird schärfer.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Ein verheerender Mangel an Schutzkleidung für Ärzte und Pfleger hat am Wochenende vielerorts in Großbritannien zu zornigen Vorwürfen gegen die Regierung und zur erneuten Androhung von Arbeitsniederlegungen an der „Frontlinie“ des Kampfs gegen das Coronavirus geführt. Zugleich sind Premierminister Boris Johnson und seine Minister beschuldigt worden, im Februar und März kontinuierlich die Augen vor der aufziehenden Katastrophe verschlossen zu haben.

 

Johnson soll an den ersten fünf Notstandssitzungen zur Abwehr des Virus in Downing Street gar nicht teilgenommen haben. Er setzte sich in einer kritischen Phase der Entwicklung zu zwölftägigen „Arbeitsferien“ auf einen Regierungslandsitz im Süden Londons ab. Generell wird der Regierung vorgehalten, die Krise lange ganz ignoriert, Isolationsmaßnahmen zu spät ergriffen, weitflächige Tests im März abgesetzt und nicht für genug Testgeräte, Ventilatoren und Schutzkleidung gesorgt zu haben. Am Sonntag stieg die Zahl der Krankenhaustoten im Vereinigten Königreich auf über 16 000. Weitere 4000 Menschen sollen schon vor Ostern in Pflege- und Altersheimen ums Leben gekommen sein. Das meldete am Sonntag das National Care Forum. Damit beginnt sich die Zahl der Corona-Opfer in Großbritannien mehr und mehr den Zahlen Italiens anzunähern.

Gesundheitspersonal soll Plastiktüten zum Schutz nutzen

Einem Bericht der „Sunday Times“ zufolge ließ die Regierung Johnson zu Ende Januar und im Februar trotz eindringlicher Warnungen von Wissenschaftlern fünf Wochen verstreichen, ohne zügige Vorbereitungen zu treffen. Auch, als Experten im Februar dem Land Hunderttausende von Toten prophezeiten, hielt die Regierung sich zurück. Erst Mitte März kam es zum Lockdown. Schon in den Jahren vorher hatte man sich in London kaum vorbereitet auf eine mögliche Pandemie. In Erwartung dieser Entwicklung hatte der Nationale Gesundheitsdienst am Freitagabend Ärzte und Pfleger angewiesen, sich notfalls mit normalen Plastikschürzen zu behelfen und von nun an Schutzkittel, Masken und andere Gerätschaften nach Benutzung einfach „abzuwischen“. Ein Aufschrei des Gesundheitspersonals war die Folge.