Hauptbahnhof in Stuttgart So wirkt sich der Bahnstreik aus

Die Lokführer streiken und am Stuttgarter Hautbahnhof ist wenig los. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Seit Mittwochnacht streiken die GDL-Lokführer. Nur wenige Pendler und Reisenden am Stuttgarter Hauptbahnhof sind durch den Streik am Morgen kalt erwischt worden.

Böblingen: Martin Dudenhöffer (dud)

Stuttgart - Fragend und mit dem Blick nach unten auf das Smartphone gerichtet, steht ein junger Mann mit Rucksack an Gleis 2 des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Der Stuttgarter ist eigentlich auf dem Weg zur Arbeit nach Weilimdorf, sucht aber bislang vergeblich jene S-Bahn, die ihn am Mittwochfrüh an seinen Arbeitsplatz bringen soll. „Ich habe nicht mitbekommen, dass heute gestreikt wird“, stellt der Pendler, der nicht genannt werden möchte, leicht resigniert fest. Hilfesuchend wendet er sich an eine Bahn-Mitarbeiterin, die mit einer gelben Warnweste die Bahnsteige auf und ab läuft und bereitwillig Fragen beantwortet.

 

S-Bahnen nur im Stundentakt

Der Ansturm auf die Bahn-Mitarbeiter bleibt an diesem Mittwochmorgen aber aus. Und das, obwohl der Lokführerstreik auch Stuttgart betrifft. Am Dienstag hatte der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, mit harten Worten die Bahnspitze attackiert („Wer den Arbeitnehmern in die Taschen greifen will und sich selbst schamlos bedient, hat eine Antwort verdient, wie wir sie geben werden“). Der Streik soll rund 75 Prozent der Fernzüge betreffen, auch die Regional- und S-Bahnen. Die S-Bahn Stuttgart hat aus diesem Grund einen Ersatzfahrplan bekannt gegeben. Aktuell fahren die S-Bahnen in und um Stuttgart nur im Stundentakt.

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Weselsky will einen besseren Tarifvertrag bei der Bahn erreichen, der über die 3,2 Prozent Gehaltserhöhung hinausgeht. Uneins sind sich die Streitparteien darüber, ob ein Corona-Bonus gezahlt werden soll. Viele Experten bezeichnen den Streik als Kraftprobe gegenüber der größeren Bahngewerkschaft EVG. Durch das Tarifeinheitsgesetz, das die jeweils mitgliederstärkere Gewerkschaft bevorteilt, könnte die EVG der GDL in Zukunft den Rang ablaufen.

Die meisten Passagiere waren darauf eingestellt

Kritik gibt es nicht nur von der Bahn, auch manche Passagiere zeigen sich in Stuttgart am Mittwochmorgen nicht übermäßig erfreut darüber, dass die Zugverbindungen knapper und die Waggons voller sind – vor allem während der Ferien und während einer Pandemie. Tobias Liebelt fährt von Ludwigsburg in Richtung Flughafen-Stuttgart. Auch wenn er vorbereitet ist auf den Streik und entsprechend früher unterwegs war, er sieht besonders aus Infektionsschutzgründen die zu vollen Züge mit Sorge. „In Pandemiezeiten vielleicht nicht so ideal“, sagt der Ludwigsburger, der ansonsten entspannt wirkt und sich auch wegen einer ausgefallenen Bahn nicht aus der Ruhe bringen lässt.

„Ich habe gestern von meinen Eltern erfahren, dass gestreikt wird. Da ich Push-Nachrichten über die Bahn-App ausgestellt habe, habe ich auf diesem Wege nichts mitbekommen“, erklärt Liebelt. Bepackt mit einem schweren Koffer erkundigt sich Liebelt noch mal bei einem Bahn-Mitarbeiter am Bahnsteig, wann sein Zug fährt. „Eine halbe Stunde muss ich noch warten. Da gehe ich eben einen Kaffee trinken“, sagt der Bahnreisende, der bald im Flieger nach Kanada sitzen möchte, und fügt gut gelaunt hinzu: „Ich habe mich aufgrund meines Langstreckenfluges sowieso etwas früher auf den Weg gemacht, daher bin ich jetzt nicht negativ überrascht worden von dem Streik.“

Von Chaos bislang keine Spur

So wie Tobias Liebelt scheinen nur die wenigsten morgendlichen Passagiere am Hauptbahnhof vom Bahnstreik kalt erwischt worden sein. Chaotische Szenen mit ratlosen und verzweifelten Reisenden sind nicht zu beobachten. Diesen Eindruck bestätigen auch die Service-Kräfte der Bahn an den Bahnsteigen und im Infocenter. Auch am Flughafen gab es keine Beeinträchtigungen, wie Pressesprecher Johannes Schumm auf Anfrage mitteilt. Die Ferienzeit, die Vorbereitung vieler Reisender und die Tatsache, dass die Bahn-Tickets auch danach noch gültig seien, hätten wohl viele veranlasst, nicht zum Hauptbahnhof zu kommen, berichtet eine DB-Servicemitarbeiterin hinter dem Schalter. Ein Kollege am Gleis ist ebenso glücklich, dass das große Durcheinander ausblieb.

So sind trotz massiven Streiks nur wenige Bahnreisende wie der junge Pendler nach Weilimdorf am Stuttgarter Hauptbahnhof gestrandet. Er muss, zusammen mit zwei Kollegen, nun akzeptieren, dass die nächste Bahn erst in einer Stunde fährt. „Das ist schon ärgerlich. Ich bin wegen einer Baustelle auf dem Weg zum Hauptbahnhof schon eine Viertelstunde zu spät angekommen. Meine App hat mir keine Verspätung oder einen Zugausfall angezeigt. Jetzt muss ich warten“, resümiert er und wendet sich seinen beiden Arbeitskollegen zu, die an diesem Streiktag das Schicksal mit ihm teilen.

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