Gewinne oder gar Dividenden sind bei der Berliner Start-up-Fabrik Rocket Internet vorerst nicht in Sicht. Für den Chef Oliver Samwer ist Expansion um jeden Preis rund um den Globus weiterhin das Erfolgsrezept.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Bescheiden ist Oliver Samwer, der Gründer der Start-up-Fabrik Rocket Internet immer noch nicht geworden. Das Sammelsurium von Internetunternehmen wolle er zur größten Plattform außerhalb den USA und Chinas machen, sagte er auf der ersten Hauptversammlung von Rocket Internet nach dem Börsengang von Anfang Oktober 2014. Doch dafür braucht er wieder einmal frisches Geld, obwohl es nach dem Börsengang geheißen hatte, nun sei man für die weitere Expansion erst einmal durchfinanziert. Ein bis zwei Milliarden Euro will das Unternehmen bis zum Jahr 2020 mittels Schuldverschreibungen einsammeln, die später in neue Aktien umgewandelt werden können, sagte der Finanzvorstand Peter Kimpel.

 

Schon im Februar hatte Rocket Internet über eine überraschende Kapitalerhöhung 590 Millionen Euro in die Kasse geholt. Zuvor hatte man sich für eine halbe Milliarde Euro einen 39-prozentigen Anteil an der in Berlin gegründeten Lieferplattform Delivery Hero gekauft, die in Deutschland unter dem Namen Lieferheld firmiert. Das Geschäftsjahr 2014 hat mit einem Verlust von 45,9 Millionen Euro geendet.

Geld verbrennen? Kein Problem

So viel Aggressivität und gleichzeitig Nonchalance gegenüber den roten Zahlen, die alle Firmen des Konglomerats weiterhin schreiben, hat dem Aktienkurs von Rocket Internet nicht gutgetan. Als im Februar die Kapitalerhöhung verkündet wurde, brach der Aktienkurs kurzfristig um 20 Prozent ein. Mit 38,50 Euro lag das Papier von Rocket Internet, das dem nur wenig regulierten Entry Standard unterliegt, zu Beginn der Hauptversammlung am Dienstag bereits um knapp zehn Prozent unter dem Ausgabekurs vom vergangenen Oktober, obwohl das Börsenumfeld seither weitgehend positiv war. Nach Bekanntwerden der Pläne zur Kapitalerhöhung bröckelte die Aktie weiter auf kurzzeitig nur noch knapp mehr als 37 Euro ab. Doch nach Meinung von Samwer verstehen insbesondere seine Kritiker in Deutschland einfach nicht, wie die Digitalwirtschaft funktioniert: Es heiße zunächst zu expandieren und Marktanteile zu gewinnen. „Folge ich dem deutschen Ansatz, brauche ich mich mit dem Silicon Valley erst gar nicht anlegen“, sagte er vor kurzem in einem Interview.

Rocket Internet hat in jüngster Zeit verstärkt auf Essens-Lieferdienste wie das 2011 gegründete Delivery Hero gesetzt, bei dem man sich aber, entgegen dem Image von Rocket Internet als Start-up-Beschleuniger mit einer Minderheitsbeteiligung eher als Finanzinvestor denn als Geschäftsentwickler geriert. Mit Foodpanda betreibt Rocket Internet bereits eine eine eigene globale Plattform auf diesem Markt. Mit Hello Fresh setzt Rocket Internet auch auf einen Lieferdienst, der die Zutaten für Kochrezepte nach Hause liefert.

Ständig auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern

Doch die Suche nach neuen Geschäftsfeldern, die offenbar wichtiger ist als die Konsolidierung der bestehenden Unternehmen, geht unvermindert weiter. Zehn Neugründungen pro Jahr sind die Zielgröße, während man gleichzeitig versucht mit Börsengängen Kasse zu machen. Der Online-Versender Zalando, der 2008 unter den Fittichen von Rocket Internet startete und an dem die Gebrüder Samwer ihre Anteile stark zurückgefahren haben, gilt als Aushängeschild. Inzwischen ist das Unternehmen im M-Dax, dem Index der mittelgroßen Börsenwerte gelistet und hat für das erste Quartal 2015 einen operativen Gewinn (Ebit) von rund 29 Millionen Euro in den Büchern. Hier liegt die Aktie mit einem Kurs von knapp 31 Euro klar über den 21,50 Euro Ausgabepreis.

Aktuellstes Start-up ist der Online-Makler Right Home, mit dem die Berliner auf den seit dem 1. Juni rechtlich neu geregelten Maklermarkt drängen. Seither können Vermieter die Kosten der Vermittlung nicht mehr auf die Wohnungssuchenden abwälzen, was die Preise für die Vermittlung drücken dürfte – und neue Onlineportale auf den Plan ruft. Rocket Internet will auch hier wieder einmal dabeisein.