Die Aktionäre konfrontieren Vorstand und Aufsichtsrat des Autobauers mit vielen kritischen Fragen – etwa zum nicht anwesenden, neuen Großaktionär Li Shufu und zu drohenden juristischen Auseinandersetzungen.

Berlin - Gleich zu Beginn der Daimler-Hauptversammlung sorgte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff für eine gewisse Verwirrung. Bischoff begrüßte Li Shufu, obwohl der neue chinesische Großaktionär gar nicht zur Hauptversammlung nach Berlin angereist war. Stattdessen ließ sich der Milliardär aus der Volksrepublik beim diesjährigen Aktionärstreffen von einer Anwaltskanzlei vertreten. Der Gründer des chinesischen Autobauers Geely hat Ende Februar rund 9,7 Prozent der Daimler-Anteile erworben und ist damit vor Kuwait der größte Anteilseigner. Bischoff hieß Li Shufu willkommen und wertete dessen Einstieg als Zeichen für das Vertrauen in die nachhaltige Strategie und die Innovationskraft von Daimler.

 

Auch Vorstandschef Dieter Zetsche ging gleich zum Anfang seiner Rede auf die große Aufmerksamkeit und die Spekulationen ein, die der überraschende Einstieg von Li Shufu ausgelöst hat. „Unsere Gespräche mit Li Shufu waren bislang sehr positiv. Er unterstützt unsere erfolgreiche Strategie“, berichtete Zetsche. Die Daimler-Manager könnten künftig über das Autogeschäft in China, dem wichtigsten Markt, auch mit dem neuen größten Aktionär diskutieren. „Ob es darüber hinaus Möglichkeiten zur Zusammenarbeit gibt“, so der Daimler-Chef, „werden wir ausloten“.

Ingo Speich ist nicht zufrieden

Den Portfolio-Manager Ingo Speich von Union-Investment, stellte diese vage Auskunft wie etliche anderer Redner bei weitem nicht zufrieden. Speich hatte einen ganzen Katalog an Fragen. Geraten die anderen Joint-Ventures von Daimler mit den bisherigen China-Partnern BAIC und BYD dadurch in Gefahr? Brauche Geely für den Pkw-Bauer Volvo, der ebenfalls zum Imperium von Li Shufu gehört, einen Partner? Was heißt der Einstieg für die Lkw-Sparte von Daimler, nachdem Geely auch an Volvo Trucks beteiligt ist? In jedem Fall, so Speich, sei Vorsicht bei einem Transfer von Know-how nach China geboten, „denn Geely könnte auch ein Wolf im Schafspelz sein“, warnte der Finanzmanager. Auf viele Fragen gab es indes nur wenige Antworten. Li Shufu sei in erster Linie Aktionär, alles andere müsse man ausloten, wiederholte Zetsche ein ums andere Mal. Ob Volvo einen Partner brauche? „Da müssen Sie Geely fragen“, so Zetsche.

Zurückhaltend äußerten sich Vorstand und Aufsichtsrat auch zum zweiten großen Reizthema, den zahlreichen rechtlichen Auseinandersetzungen. „Man hat das Gefühl, die ganze Welt hat Daimler am Wickel“, meinte Winfried Mathes von der Fondsgesellschaft Deka Investment und zählte die Behörden auf, mit denen es der Autobauer derzeit zu tun hat: „Das US-Justizministerium, die US-Umweltbehörde, die US-Börsenaufsicht, die Bafin und das Kraftfahrt-Bundesamt, um nur die prominentesten Adressen zu nennen“. Mehrere Redner verlangten, dass die Manager mehr Licht in diese Vorgänge bringen, Transparenz schaffen müssten, vom Lkw-Skandal über den Vorwurf der Manipulation der Abgasreinigung bis hin zu den Abgas-Experimenten mit Affen und Menschen.

Die Auskünfte bleiben recht dünn

Doch die Auskünfte dazu waren recht dünn. Finanzvorstand Bodo Uebber etwa wollte nicht sagen, mit wie vielen Rechtsfällen Daimler derzeit konfrontiert sei. Keine Aussage gab es dazu, wie viele Kläger wie viel Schadenersatz verlangen, weil Daimler Teil eines Lkw-Kartells war und von der EU zu einer Milliardenstrafe verurteilt wurde. Der Schadenersatz sei zu einem großen Teil noch nicht beziffert, laufende Verfahren seien in einem frühen Stadium, sagte Uebber. Zudem äußere man sich grundsätzlich nicht zu laufenden Rechtsverfahren und Kundenbeziehungen.

Obwohl bei vielen Fragen gemauert wurde, sah Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) einen Fortschritt in punkto Offenheit. Bereits auf der Hauptversammlung im vorigen Jahr war kritisiert worden, dass der Aufsichtsrat im Zusammenhang mit dem Lkw-Kartell keine Schadenersatzansprüche gegen ehemalige oder amtierende Manager prüft. Das Unternehmen hat nun ein juristisches Gutachten erarbeiten lassen, ob der Aufsichtsrat gegen seine Pflichten verstoßen habe und die Kernaussagen dazu veröffentlicht. Das Ergebnis: Der Aufsichtsrat sei seinen aktienrechtlichen Pflichten „vollumfänglich“ nachgekommen, so der Münchner Professor Mathias Habersack. DSW-Hauptgeschäftsführer Tüngler wertete dies als Signal, dass es der Aufsichtsrat ernst meine mit der Aufklärung. „Aber da muss noch mehr kommen.“