Seit 1978 hat Eva Maria Natzke im Kinder- und Jugendhaus (Haus 11) gearbeitet. Nun geht die engagierte Kunstpädagogin und freie Künstlerin in den Ruhestand. Als Abschiedsgeschenk hinterlässt sie ein Dutzend Projekte zur Sprachentwicklung.

Zuffenhausen - Im Januar ist Schluss: Seit 1978 hat Eva Maria Natzke für das Kinder- und Jugendhaus (Haus 11) gearbeitet, nun geht sie in den Ruhestand. „Jede Stunde war es mir wert“, sagt die engagierte Kunstpädagogin. Zum Abschied hat sich die 64-Jährige nochmals ein echtes Schmankerl ausgedacht: Ein Dutzend Projekte zur Sprachentwicklung sollen dafür sorgen, dass Jugendliche sich besser ausdrücken können. Ermöglicht wird das von Natzke konzipierte Vorhaben durch 37 000 Euro Spendengelder der Firma Porsche.

 

„Viele Kinder und Jugendliche sind regelrecht sprachlos“, erzählt die gebürtige Ost-Berlinerin. Schon lange liege ihr die Sprachentwicklung am Herzen. Die Grundlage für die neuen Projekte sind in den Sommerferien geschaffen worden. In einem zweiwöchigen Pilotprojekt mit rund 70 Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren sind Hör- und Soundcollagen entstanden, außerdem haben sich die Kinder mit dem Medium Film beschäftigt. Diese Themen sollen im offenen Bereich, aber auch innerhalb von Schulkooperationen weiter verfolgt werden, wobei es verschiedene Ansatzpunkte geben kann. Schulen aus Zuffenhausen, die mitmachen möchten, können sich unter Telefon 0711/87 19 90 oder unter der E-Mail sprachentwicklung@haus-11.com bis zum 20. Dezember melden.

Die 37 000 Euro der Firma Porsche sind bei einem Spendenlauf im September zusammengekommen (wir berichteten). Die Hälfte des Geldes wird für professionelle Honorarkräfte gebraucht, mit der anderen Hälfte werden Ausrüstungsgegenstände für das Tonstudio vom Haus 11 gekauft. Auf diese Art profitieren auch Heranwachsende aus anderen Bezirken von dem Projekt, das Studio wird nämlich im Rahmen des Arbeitskreises Musik von Kinder- und Jugendhäusern aus ganz Stuttgart genutzt.

Nachdem Natzke ihr Kunst- und Philosophiestudium in Berlin und Stuttgart beendet hatte, kam sie 1978 ans Kinder- und Jugendhaus Zuffenhausen. Damals habe es dort noch viele Künstler, die als Werklehrer angestellt waren, gegeben. „Ich habe immer auf Kunst und Kultur gesetzt“, erzählt Natzke. Ohne beides könne sich ein Mensch sozial nicht weiter entwickeln. Im Laufe der Jahre musste sie manchen Strauß ausfechten, um ihre ambitionierten Ideen in die Tat umsetzen zu können. Besonders gern erinnert sie sich an ein Theater- und Musikprojekt, bei dem Jugendliche mit 28 verschiedenen Nationalitäten dabei waren und das weit über Zuffenhausen hinaus Beachtung fand. „Damals gab es noch genug Zeit, um an den Projekten zu arbeiten“, erinnert sie sich. Mittlerweile habe die Bürokratie immer mehr die Oberhand gewonnen, Zeit für die Jugendlichen gebe es immer weniger. „Es müssen mehr Künstler in die Jugendarbeit“, sagt die Pädagogin. Die würden freier denken und gesellschaftspolitische Anliegen haben. Im Vergleich zu früher habe sich die Kluft zwischen arm und reich immer weiter vergrößert. Auch seien heute sehr viele junge Leute komplett konsumorientiert. Abgenommen habe der Respekt, sowohl der Jugendlichen untereinander als auch gegenüber Erwachsenen – was Natzkes Ansicht nach nicht zuletzt daran liegt, dass Erwachsene oftmals schlechte Vorbilder seien. Nicht nur den Jugendlichen, auch Natzke selbst haben die vergangenen fast vier Jahrzehnte viel gebracht: „Ich habe mich enorm weiterentwickeln können. Mit jedem Jugendlichen und jedem Projekt konnte ich viel dazu lernen.“ Obwohl sie viel Herzblut und Zeit in ihre Arbeit für das Haus 11 investiert hat, arbeitete sie nebenher als freie Künstlerin. Malerei, Keramik, Collagen und Yoga zählen nach wie vor zu ihren Steckenpferden. In ihrer neuen Heimat Nürnberg möchte sie sich mit anderen Künstlern zusammentun und mit ihnen neue Projekte verwirklichen.

„Ich habe mich enorm weiterentwickeln können“

Natzkes Nachfolge tritt Beatrice Schwald an. Die studierte Sozialarbeiterin kennt Haus 11 aus ihrem Praktikum. Ihre Schwerpunkte werden zunächst die Arbeit in der Textilwerkstatt und Medienarbeit sein. „Ich war schon immer sozial veranlagt“, sagt die 24-Jährige. Laut Einrichtungsleiter Matthias Ellinger sollen Kunst und Kultur auch künftig eine Rolle im Programm von Haus 11 spielen. In welchem Rahmen, das sei noch nicht klar. „Wir müssen uns als Team neu aufstellen“, sagt Ellinger. Vor allem die Erfahrung und die Vernetzung von Natzke werde er künftig vermissen.

„Ich freue mich auf meinen neuen Lebensabschnitt“, sagt die zukünftige Ruheständlerin. Dass viele Jugendliche über ihren Weggang traurig sind, kann sie verstehen, sagt aber auch: „Abschied gehört zum Leben dazu.“ Was die Zukunft von Haus 11 angeht, liegt ihr eines besonders am Herzen: „Ich wünsche mir, dass es auch künftig viele Kreativprojekte geben wird.“