Ein Stuttgarter gehört zu den Pionieren der Farbfotografie – doch kaum jemand kennt ihn. Das Haus der Geschichte rückt die Bilder­welten des 1957 gestorbenen Hans Hildenbrand ins Bewusstsein – und sucht weitere Werke des Meisters.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Der Baumbestand vor dem Neuen Schloss war üppig und fast so dicht wie in einem Wald. Auf den Hügeln dahinter gab es noch freie Bauplätze. Und der Musikpavillon befand sich nicht wie heute an der Königstraße, sondern zwischen Jubiläumssäule und Ehrenhof. Wie der Stuttgarter Schlossplatz vor etwa 100 Jahren ausgesehen hat, hat Hans Hildenbrand als Farbfotografie festgehalten. „Nach 1919“ steht in der Bildlegende. Ganz genau also weiß man nicht, wann diese großartige Aufnahme entstanden ist. So viel ist unklar, was das Leben eines ganz besonderen Fotografen betrifft, der ein Pionier für die Farbsicht war.

 

Beim Bombenangriff 1944 ist Hildenbrands umfangreiches Archiv in Stuttgart zerstört worden. Ein Liebhaber der Fotografie ist es, der den vergessenen Meister zurück in den Fokus der Historiker und Fotofreunde stellt. Rolf H. Krauss – über viele Jahre führte er ein Fotogeschäft an der Königstraße – kaufte weltweit Werke von Hans Hildenbrand auf und vermachte sie dem Haus der Geschichte. Zu einer Ausstellung hat sich das Museum bisher nicht durchringen können, aber nun ein Buch herausgegeben, das die Schaffensbreite des in Vergessenheit geratenen Schwaben dokumentiert.

„Er hat das Deutschlandbild mitgeprägt“

Der Hoffotograf (von König Wilhelm II. ernannt) ist 1870 in Bad Boll geboren und früh nach Stuttgart gezogen. Sein Atelier befand sich an der Marienstraße. Von 1909 an arbeitete er mit Autochrom-Platten, stellte Ansichtskarten her und gilt als Vorreiter der Farbfotografie. Krauss nennt ihn – im heutigen Deutsch – „Start-up-Unternehmer“. Innovativ sei Hildenbrand gewesen, „weil er Medien farbig machte“.

Professor Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte, rühmt Hildenbrand als Fotokünstler, der mit seinen Aufnahmen – viele davon sind im US-Magazin „National Geographic“ erschienen – weltweit das Deutschlandbild „mitgeprägt“ habe. In dem 333-seitigen Buch, in dem neben den Fotos wissenschaftliche Texte zu finden sind, ist erstmals das breite Spektrum des Stuttgarters zu sehen. Von Aktfotografie bis zu Aufnahmen im Haus von König Wilhelm II., von Frauen mit Bollenhüten vor Schwarzwaldhäusern bis zum zerstörten Zeppelin 1908 in Echterdingen, von der Sphinx in Ägypten bis zum Blumenmarkt vor der Stiftskirche in Stuttgart – die Bandbreite ist enorm und macht das Blättern im Buch zu einem spannenden Erlebnis. Hildenbrand war auch weltweit als Reisefotograf unterwegs.

Haus der Geschichte bittet um Mithilfe

Die Farbfotografie brachte ihm wirtschaftlichen Erfolg. Hildenbrand lieferte Motive für die Massenmedien der damaligen Zeit – für Postkarten, Zeitschriften, Fremdenverkehrswerbung. Als einer der wenigen Fotografen machte er im Ersten Weltkrieg hinter der Front Farbaufnahmen, die jedoch wenig realistisch sind. Soldaten mussten sekundenlang stillhalten für die Aufnahmen.

Noch gibt es dunkle Flecken im Schaffen von Hans Hildenbrand. Über sein privates Leben ist wenig bekannt. Die Macher des Buches wissen noch nicht mal, wo er begraben ist. Das Haus der Geschichte bittet um Mithilfe: Wer Aufnahmen, die von Hans Hildenbrand stammen, besitzt oder weitere Informationen über ihn hat, kann sich melden unter Telefon 07 11 / 212 - 40 12 oder per E-Mail an stefan.kirchberger@hdgbw.de