In Nürtingen ist jetzt das Haus der Künste eingeweiht worden. In dem ehemaligen Gesundheitsamt finden die Stadtkapelle sowie die Musik- und Jugendkunstschule ein neues Domizil. Die Sanierung war wegen des Denkmalschutzes kompliziert.

Nürtingen - Sehr praktisch – zur Einweihung des eigenen Gebäudes haben die Nürtinger Stadtkapelle und die Musikschule am Donnerstagabend gleich selbst für den musikalischen Rahmen gesorgt. Beide Einrichtungen nutzen künftig das ehemalige Gesundheitsamt, das nach einem Jahr Sanierung jetzt fertig geworden ist und fortan Haus der Künste heißt. Die Dritte im Bunde ist die Jugendkunstschule, die in der Ersbergstraße 42 nun ebenfalls eine neue Heimat findet.

 

Nach 29 Jahre unter einem Dach

„Es wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Mit diesem Zitat von Willy Brandt begrüßte Johannes Fridrich die Gäste im Haus der Künste. Der Nürtinger Oberbürgermeister münzte den Ausspruch, den der frühere Bundeskanzler auf die deutsche Einheit bezogen hatte, auf die räumliche Vereinigung der Musik- und Jugendkunstschule. Zwar gehörte die städtische Bildungseinrichtung auch bisher schon zusammen, sie war jedoch in getrennten Räumlichkeiten untergebracht. Nach 29 Jahren ist die Nürtinger Musik- und Jugendkunstschule im Haus der Künste nun unter einem Dach zusammengefasst.

Johannes Fridrich zufolge ist das sanierte Gebäude ein weiterer Mosaikstein der vielfältigen und lebendigen Nürtinger Kulturszene. Die Freie Kunstakademie, der Kunstverein, die Stiftung Ruoff – Johannes Fridrich zählte nur einige der Kulturinstitutionen auf. „Da sind alle neidisch auf uns“, meinte der Oberbürgermeister selbstbewusst.

Der Zeit- und Kostenrahmen wurde gesprengt

Bis zur Einweihung ist es ein langer Weg gewesen. Vor vier Jahren fasste der Gemeinderat den Projektbeschluss. Dann stellte sich heraus, dass die Auflagen des Denkmalschutzes unter anderem mit den Brandschutzbestimmungen nur schwer in Einklang zu bringen waren. Der ursprünglich anvisierte Kostenrahmen von rund 600 000 Euro war nicht mehr zu halten, der Gemeinderat sah sich gezwungen, rund 1,3 Millionen Euro freizugeben. Knapp 80 000 Euro an Fördergeldern erhielt dabei die Stadt Nürtingen.

Nicht nur die Kosten stiegen, das ganze Sanierungsvorhaben zog sich zudem in die Länge. Der ursprüngliche Eröffnungstermin war das Frühjahr 2017 gewesen. „Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sagte Johannes Fridrich bei der Einweihung. In dem Gebäude gibt es jetzt einen extra Vortrags- und Probenraum, der sich für Konzerte mit bis zu 100 Zuhörern anbietet. Zudem gibt es eine ganze Reihe von kleineren Räumen sowie zwei Ateliers für die Jugendkunstschule.

Das Gebäude ist nur behutsam verändert worden

Für die Sanierung ist das Büro Weinbrenner/Single/Arabzadeh verantwortlich gewesen. Der Architekt Afshin Arabzadeh erklärte, „dass wir nun das Gebäude aus seinem Dornröschenschlaf geweckt haben“. Es seien in Abstimmung mit der Denkmalbehörde „einige behutsame Änderungen in der Raumaufteilung“ vorgenommen worden. Insgesamt aber blieb der Charakter des alten Gesundheitsamts erhalten. Das Gebäude war zwischenzeitlich noch anderes genutzt worden. In den 1990er Jahren war es für die Ganztagsbetreuung und den Mensabetrieb der Ersbergschule umgebaut worden.

Brutalismus par excellence

Denkmal
Auf Laien dürfte das ehemalige Nürtinger Gesundheitsamt in der Ersbergstraße 42 wie ein moderner Betonklotz wirken. Doch erkennt das geschulte Auge in dem Gebäude eine Perle der Architektur. Nach Plänen der Architekten Max Bächer und Harry G. H. Lie Mitte der 1960er Jahre gebaut, gilt das Gesundheitsamt als herausragendes Beispiel für einen Verwaltungsbau aus jener Zeit. Es steht im Rang eines Kulturdenkmals.

Ausstattung
Die Konstrukteure folgten der Leitidee des „Brutalismus“. Der Begriff für den Architekturstil ist abgeleitet vom französischen béton brut (roher Beton/Sichtbeton). In dem neuen Haus der Künste sind beachtliche Details wie Fensterbrüstungen, Wasserspeier und skulptural geformte Würfel für Beleuchtungskörper und Briefkästen aus Beton geschaffen. Glas und Holz sind weitere Bauelemente an dem ausgezeichneten Gebäude.